Menschen stärken, Sachen klären, Position beziehen -  - ebook

Menschen stärken, Sachen klären, Position beziehen ebook

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Opis

Der Wirtschaftsjournalist Markus Götte führte im Auftrag des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) Interviews mit aktiven und früheren Mitarbeitenden durch. Die Gespräche geben einen Einblick in die vielfältige Arbeit des KDA: Brücken bauen, Horizonte erweitern, Verständigung ermöglichen, Konflikte moderieren, Beratungsarbeit, Netzwerkpflege – das sind nur einige der Stichworte, die hier aufgegriffen und mit Leben gefüllt werden. Die Interviews geben zugleich Einblicke in die Veränderungen, in denen sich die Arbeitswelt befindet, und informieren über den Versuch, diesen Wandel als Kirche zu begleiten und mitzugestalten. [Empowering People, Sorting Things Out, Taking Position. How Church Helps Shape the Change of the Working World] On behalf of the Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (working group for pastoral service in the working world of the Evanglical Church in Germany) business journalist Markus Götte conducted interviews with active and former employees. The interviews provide an insight into the many tasks of the KDA: building bridges, broadening horizons, facilitating communication, moderating conflicts, advisory work, networking – these are just a few of the key words that are taken up and filled with life in this book. At the same time, the interviews provide an insight into the changes the world of work is experiencing and the attempt to accompany and help shape these changes as a church.

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Matthias Jung (Hrsg.)

Menschen stärken, Sachen klären, Position beziehen

Wie Kirche den Wandel in der Arbeitswelt mitgestaltet

Interviews mit Mitarbeitenden des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) der hannoverschen Landeskirche

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2020 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig

Printed in Germany

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.

Cover: Zacharias Bähring, Leipzig

Coverbild: © Matthias Jung

Layout und Satz: Steffi Glauche, Leipzig

Druck und Binden: Hubert & Co., Göttingen

ISBN 9783374064533

www.eva-leipzig.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Interview mit Hille de Maeyer, Matthias Jung, Ricarda Rabe und Ralf Reuter.

Gesprächsprotokoll Paolo Brullo

Interview Detlef Sauthoff

Interview Ursula Hellweg

Gesprächsprotokoll Walter Punke

Interview mit Peter Greulich.

Protokoll Waltraud Kämper

Interview Brigitte Siebe.

Interview Wulf Gräntzdörffer.

Vorwort

Von meinem Vorgänger Michael Klatt übernahm ich 2016 die Idee, die Geschichte des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) in der hannoverschen Landeskirche aufzuarbeiten. Nach längeren Vorüberlegungen fiel die Entscheidung, dies in zwei getrennten Projekten umzusetzen.

Dirk Riesener, der bereits die Geschichte des Hauses kirchlicher Dienste in Hannover recherchiert und beschrieben hatte, übernahm die Aufgabe, nicht nur die Geschichte des KDA seit den Anfängen in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts darzustellen, sondern auch die Linien bis ins 19. Jahrhundert zurückzuverfolgen und die Väter und (wenigen) Mütter des sozialethischen, an der Arbeitswelt orientierten Dienstes zu Wort kommen zu lassen.

Parallel dazu wurden Gespräche sowohl mit noch aktiven als auch mit früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im KDA geführt und ausgewertet. Hier lag der Fokus auf den Entwicklungen und Veränderungen der letzten zwanzig Jahre. Der Wirtschaftsjournalist Markus Götte übernahm diese Aufgabe.

Bei der Auswahl der Interviewpartner wurde bewusst darauf verzichtet, frühere Leiter des KDA wie Gerd Wegner oder Michael Klatt zu beteiligen. Es ging uns nicht darum, die Arbeit aus der Perspektive der ehemaligen Leitungen zu beschreiben, sondern aus Sicht derjenigen, die an der Basis und in den Betrieben vor Ort unterwegs sind oder waren, haupt- oder ehrenamtlich. Mein Dank gilt Paolo Brullo, Detlef Sauthoff, Ursula Hellweg, Walter Punke, Peter Greulich, Waltraud Kämper, Brigitte Siebe und Wulf Gräntzdörffer, dass sie bereit waren, sich im Rahmen dieses Projekts einzubringen.

Die Gespräche geben Einblicke sowohl in eine sich permanent verändernde Arbeitswelt als auch in die Art und Weise, wie der KDA mit diesen Veränderungen umgegangen ist. »Menschen stärken – Sachen klären – Position beziehen« – mit diesem Dreiklang beschreibt Waltraud Kämper gut und präzise ihre Rolle und die ihrer Kolleginnen und Kollegen, daher steht dieser Band auch unter dieser Überschrift.

Markus Götte führte die Interviews, an der Aufbereitung war auch Andrea Rehmsmeier beteiligt. Er traf auch die Entscheidung, in welcher Form die Gespräche dokumentiert wurden. Teilweise wurde die Gesprächsform beibehalten, andere wurden in Fließtext übersetzt.1 Allen Interviewpartnerinnen und -partnern wurde der jeweilige Text im Entwurf vorgelegt und sie konnten noch Änderungswünsche einbringen. So spiegeln die Gespräche eine bunte Vielfalt, auch kritischer Blickwinkel auf die KDA-Arbeit der letzten beiden Jahrzehnte.

Den Interviews vorangestellt wurde ein Rundgespräch mit Ricarda Rabe (Pastorin für den Kirchlichen Dienst auf dem Lande), Hille de Maeyer (Pastorin für Kirche und Handwerk), Ralf Reuter (Pastor im Arbeitsfeld Spiritual Consulting) und mir als Verantwortlichen des heutigen KDAs. Damit wird zugleich die aktuelle Entwicklung sichtbar: Die verschiedenen arbeitsweltbezogenen Dienste in der hannoverschen Landeskirche wachsen inhaltlich immer weiter zusammen, dies wird zum Beispiel an der gemeinsamen Dienstbesprechung der vier Arbeitsfelder deutlich, die es seit drei Jahren gibt. Im Rundgespräch haben wir gemeinsam mit Markus Götte diese Entwicklung reflektiert und auch einen Ausblick auf kommende Herausforderungen gewagt.

Hannover, im September 2019

Matthias Jung Fachbereichsleiter Kirche. Wirtschaft. Arbeitswelt im Haus kirchlicher Dienste und Leitender Referent im KDA

Interview mit Hille de Maeyer, Matthias Jung, Ricarda Rabe und Ralf Reuter

Den Wandel gestalten

Neue Herausforderungen für den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt

Ein Gespräch mit

Dr. Matthias Jung, er leitet als Landessozialpfarrer den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt. Zu seinem vielfältigen Portfolio gehören beispielsweise Studienreisen, Workshops, thematische Gottesdienste, Betriebsbesuche sowie die Arbeit in und mit sozialen Medien. Ein thematischer Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich Klimaschutz und der Transformation der Gesellschaft und deren Auswirkungen auf Ökonomie und Arbeit.

Hille de Maeyer, sie ist seit 2018 Referentin für Kirche und Handwerk im Haus kirchlicher Dienste. Als Handwerkspastorin repräsentiert sie die Kirche unter anderem bei Freisprechungsfeiern und Meisterehrungen und hält den Kontakt zu Innungen und Handwerkskammern.

Ralf Reuter, er arbeitet als Pastor für Unternehmensleitungen und Führungskräfte der Wirtschaft und gründete mit Peer Schladebusch Spiritual Consulting im Haus kirchlicher Dienste. Neben Coaching, Pilgertouren, Retraiten und Klosterseminaren begleitet er Vorstände und Familienunternehmer in besonders anspruchsvollen Prozessen.

Ricarda Rabe, sie leitet als Referentin für Kirche und Landwirtschaft den Bereich kirchlicher Dienst auf dem Lande. Sie kümmert sich nicht nur um die Sorgen und Nöte der Landwirte und der Landbevölkerung, sondern hält auch Vorträge und vertritt die Kirche gegenüber landwirtschaftlichen Verbänden und Institutionen. Zudem ist sie Vorsitzende des Tierschutzbeirates des Landes Niedersachsen.

Seit vier Jahren gibt es eine gemeinsame Dienstbesprechung der Referentinnen und Referenten des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt, in der Landwirtschaft und im Handwerk. Ursprünglich ging diese Initiative von den Referenten für das Handwerk und in der Landwirtschaft aus. Diese wollten nicht länger Einzelkämpfer sein und verstärkt gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen denken und arbeiten. Von den drei großen W’s des gesellschaftlichen Wandels, demografischer Wandel, Klimawandel und digitaler Wandel sind die drei Arbeitsfelder gleichermaßen betroffen. Dazu kommt der innerkirchliche Strukturwandel, der ihre Arbeit und deren Strukturen mit verändert. Von einstmals 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereich der Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt sind heute noch zehn Mitarbeitende im Dienst: sechs mit einem theologischen Hintergrund und vier aus anderen Professionen. Die Pastorinnen und Pastoren Ricarda Rabe, Referentin für Landwirtschaft, Hille de Maeyer, Referentin für das Handwerk, Ralf Reuter von Spiritual Consulting sowie Matthias Jung, Fachbereichsleiter Kirche, Wirtschaft, Arbeitswelt, stehen vor neuen Herausforderungen. Wie wollen sie künftig zusammenarbeiten und in der großen hannoverschen Landeskirche Präsenz zeigen? Welche Arbeitsschwerpunkte soll es geben? Welche Lösungen für drängende Fragen müssen gemeinsam gefunden werden?

Frage: Klima-Krise, digitaler Wandel und der demografische Wandel haben unterschiedliche Auswirkungen auf Kirche und Gesellschaft. Inwiefern berühren diese Umwälzungen Ihre Arbeit?

Ricarda Rabe: Die Landwirtschaft und die Menschen, die in ländlichen Regionen leben, sind in allen drei Bereichen stark betroffen. Digitalisierung in der Landwirtschaft ist ein Riesenthema. Anders als viele Städter glauben, brauchen Landwirte tatsächlich 5G an jeder Milchkanne.

Hille de Maeyer: Auch das Handwerk braucht 5G. In jedem kleinen, noch so entlegenen Dorf gibt es Handwerksbetriebe. Handwerkerinnen und Handwerker wollen nicht abgehängt werden, sondern weiterhin am Wettbewerb teilnehmen. Sie sind in ihrer Existenz bedroht, wenn ihre Interessen nicht wahrgenommen werden.

Frage: Und der demografische Wandel? Welche Sorgen bekommen Sie mit?

Ricarda Rabe: Ein Mangel an Arbeitskräften macht sich insbesondere bei der Saisonarbeit auf den Feldern bemerkbar. Früher kamen viele Arbeitskräfte aus Polen. Heute übernehmen Menschen aus Rumänien die Knochenarbeit auf den Feldern, die kein Einheimischer mehr machen will. Aber wer wird morgen die Arbeit übernehmen? Arbeitskräfte aus Weißrussland oder der Ukraine?

Hille de Maeyer: Das Handwerk leidet darunter, dass es keine Fachkräfte findet. Es gibt viele Betriebe, die sich vergrößern möchten, um den Aufträgen gerecht zu werden. Aber sie finden keine Arbeitskräfte. Dazu kommt: Für rund 200.000 Handwerksbetriebe ist in den kommenden Jahren die Nachfolge offen.

Frage: Inwiefern sind Sie dabei als Pastorinnen und Pastoren gefragt?

Hille de Maeyer: Als Seelsorgerin beispielsweise, denn mit dieser Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger sind tragische Geschichten verbunden. Selbstständige Handwerkerinnen und Handwerker besitzen oftmals nur eine unzureichende Altersvorsorge. Sie setzen darauf, jemanden zu finden, der ihren Betrieb übernimmt. Wenn dieser Erlös wegfällt, bekommen sie unter Umständen ein Versorgungsproblem im Ruhestand, weil ihnen das Geld fehlt.

Ricarda Rabe: Seelsorgerische Fragen kommen manchmal im direkten Kontakt mit Landwirten auf. Gerade ältere, wenig technikaffine Landwirte sorgen sich, wie sie mit der Digitalisierung umgehen sollen. Andere fragen sich, wie es weitergehen soll, wenn das, was sie auf ihren Feldern immer angepflanzt haben, plötzlich nicht mehr gedeiht, weil sich das Klima geändert hat. Wieder andere belastet ihre neue Rolle als Arbeitgeber. Sie haben als kleiner Familienbetrieb angefangen und beschäftigen nun zehn Menschen, deren Sprache sie nicht sprechen und für die sie eine Verantwortung tragen. Das sind zusätzliche Belastungen neben den Alltagssorgen, ob die Ernte gut wird und ob sie den Kredit zurückzahlen können. Probleme, die gerade für Ältere on top kommen! Und diesen starken Druck nehme ich wahr.

Frage: Das Bauernhof-Idyll existiert nicht mehr. Stattdessen gibt es Stress und Zukunftsangst?

Ricarda Rabe: Ja. Leider hängen viele noch einer romantischen Vorstellung von einer bäuerlichen Landwirtschaft nach. Sie denken, Landwirte hätten es gut: Sie arbeiteten alle draußen in der schönen Natur und seien immer an der frischen Luft. Dabei ist gerade unter den Landwirten die Burn-out-Rate besonders hoch. Aus Deutschland gibt es bedauerlicherweise keine Zahlen dazu. Aber aus Frankreich weiß man: Die Suizid-Rate unter älteren Landwirten ist deutlich höher als im Durchschnitt der Normalbevölkerung.

Frage: In Niedersachsen gibt es eine evangelische Familienberatungsstelle und ein landwirtschaftliches Sorgentelefon für Ratsuchende.

Ricarda Rabe: Wenn es gut läuft, holen sich die Betroffenen dort Hilfe. Allerdings dauert es sehr lange, bis ein Landwirt oder eine Landwirtin sich Hilfe für die eigene Seele holt. Während es für sie selbstverständlich ist, einen Arzt für das kranke Vieh oder einen Experten für Pflanzenschädlinge zu holen, sorgen sie schlecht für sich. Viele haben Scheu, andere um Hilfe zu bitten.

Ralf Reuter: Die Gefahr eines Burn-outs oder auch von Suizidgedanken liegt zum Teil in den sehr hohen Ansprüchen der Betroffenen an sich selbst begründet. Überhöhten Erwartungen, denen sie nicht gerecht werden können und hinter denen sie hoffnungslos zurückbleiben. Das erlebe ich bei Führungskräften. Das ist in der Landwirtschaft und im Handwerk sicher nicht anders.

Frage: Und wie begegnen Sie diesen Ängsten?

Ralf Reuter: Im Rahmen unserer vertrauensvollen Retraite und Klosterseminare versuchen wir über diese schädliche Anspruchshaltung an sich selbst offen und ehrlich mit den Teilnehmenden zu sprechen. Als Theologen sagen wir, der Einzelne ist nicht perfekt und wird es auch niemals sein. Von Gott sind wir grundsätzlich alle angenommen, in all unserer menschlichen Unvollkommenheit und mit allen unseren Fehlern. Nicht, um das zu rechtfertigen, sondern um die Menschen aufzufangen und ihnen wieder neuen Mut zu geben, sich als Geschöpf Gottes zu sehen. Damit sie anschließend neue Schritte, neue Wege gehen können.

Frage: Welches Feedback bekommen Sie von den Teilnehmenden?

Ralf Reuter: Die Manager hören aufmerksam und gespannt zu. Und ich spüre, dass sie von unseren Worten emotional und intellektuell berührt sind. Viele kommen zu einem späteren Zeitpunkt wieder, um an sich zu arbeiten.

Matthias Jung: Als Kirchenvertreter und Theologen sind wir weiterhin als vertrauensvolle Seelsorger sehr gefragt. Insbesondere dann, wenn wir als fachlich kompetent wahrgenommen werden und nicht von oben herab sprechen. Neben den seelsorgerischen oder spirituellen Aufgaben erlebe ich aber auch, dass die Menschen von mir hören wollen, was denkst du als KDA-Pastor über dieses oder jenes ethische Problem.

Ralf Reuter: Solche Anfragen bekomme ich häufiger. Zum Beispiel beim sensiblen Thema Beurteilung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Führungskräfte müssen sich gegenseitig beurteilen – auch und gerade in ihren Führungsqualitäten. Das ist immer ein ethischer Balanceakt: Wie ehrlich sind sie? Wie ist ihr Verhältnis zum Unternehmen und zu ihren Kolleginnen und Kollegen? Hier bin ich häufig als Ethikberater, aber auch als ethischer Sparringspartner gefragt.

Matthias Jung: Viele Menschen spüren, dass die Umbrüche in der Wirtschaft verschiedene ethische Implikationen haben, ob das den Wandel zur Elektromobilität oder den Einsatz der Genschere in der Pflanzenzucht betrifft. Manche fragen mich nach dem Standpunkt der Kirche. Nicht in dem Sinne, dass sie wollen, dass ich ihnen sage, was sie tun müssen. Sondern: Sie suchen nach einer kirchlichen Position, mit der sie sich auseinandersetzen können.

Ricarda Rabe: Die Voraussetzung für solche Gespräche ist aber, dass wir den Menschen nicht mit einer vorgefassten Meinung begegnen. Die Landwirte freuen sich, wenn jemand zu ihnen kommt und erst einmal zuhört und nicht gleich wertet. Und das ist leider nicht immer so, wenn ich an die Auseinandersetzung um das Tierwohl denke.

Frage: An was denken Sie konkret?

Ricarda Rabe: Wenn jemand von der Kanzel herunter sagt, ich konstruiere jetzt ein Beispiel: Alle Landwirte, die mehr als 100 Kühe im Stall haben, sind Massentierhalter und quälen ihre Tiere. Von solchen Pauschalurteilen fühlen sich viele Landwirte persönlich verletzt. Und diese Verletzungsgefahr ist riesig, weil zwischen Landwirten und Kirche – historisch betrachtet – eine sehr große Nähe bestand. Das ist wie in einer Liebesgeschichte. Da kann man auch sehr schnell sehr verletzt sein, wenn man das Gefühl hat, der andere sieht mich nicht und kritisiert nur.

Frage: Was tun Sie in solchen Fällen?

Ricarda Rabe: Manchmal denke ich, meine Güte, was haben unsere Kolleginnen und Kollegen da gepredigt. In dem konstruierten Fall würde ich mit dem tierhaltenden Landwirt ins Gespräch kommen wollen und ihm sagen. »Ja, du bist verletzt worden und du hast auch ein Recht, verletzt zu sein. Und ich sage dir, nicht alle aus der Kirche sehen das so. Und ich sage auch, du bist als Mensch wertvoll und deine Arbeit ist wertvoll und du wirst gute Gründe haben, sie so zu tun, wie du sie tust. Ich muss deine Gründe nicht alle teilen, erkläre sie mir bitte, damit ich sie verstehe.« So komme ich mit ihnen wieder ins Gespräch.

Frage: Herr Reuter, Sie nicken?

Ralf Reuter: Ja, weil ich das bestätigen kann. Wenn ich mit Unternehmern oder Führungskräften spreche, spüre ich häufiger große Vorbehalte gegenüber Kirche.

Frage: Woher rühren diese Vorbehalte?

Ralf Reuter: Aus ähnlichen Erfahrungen, wie sie Ricarda beschreibt. Einige haben in Gottesdiensten erlebt, dass in Predigten Unternehmen häufig kritisch gesehen und mit negativen Wertungen bedacht werden. Dabei sind viele Unternehmerinnen und Unternehmer kirchengebunden und sozial engagiert. Aufgrund der Pauschalkritik fühlen sie sich in der Kirche nicht willkommen. Viele Führungskräfte vermissen die Anerkennung und sind daher erst einmal skeptisch gegenüber Kirche an sich, aber auch gegenüber mir als Pastor – zumindest, wenn sie mich nicht kennen.

Hille de Maeyer: Wertschätzung ist das Schlüsselwort auch in meiner Arbeit. Das Handwerk ist lange Zeit vernachlässigt worden. Als Vertreterin der Kirche habe ich die Möglichkeit, dem Handwerk Wertschätzung entgegenzubringen – etwa bei den Freisprechungsfeiern oder den Meisterehrungen. Denn viele Handwerksbetriebe sind gesellschaftliche Vorbilder für ethisches Handeln. Sie kümmern sich um Geflüchtete, sie stellen sie ein. Sie beschäftigen Menschen mit Behinderung. Handwerkerinnen und Handwerker tun das mit einer großen Selbstverständlichkeit und reden nicht darüber. Das Ehrenamt hat im Handwerk seit Jahrhunderten eine große Bedeutung. Handwerkerinnen und Handwerker engagieren sich nicht nur in den eigenen Selbstverwaltungsgremien, sondern auch in Vereinen und Kirchenvorständen.

Frage: Was wollen, was können Sie als Handwerkspastorin für das Handwerk tun?

Hille de Maeyer: Dem Handwerk wieder zu größerem Ansehen verhelfen. 50 Prozent der Schüler und Schülerinnen gehen nach der Grundschule aufs Gymnasium und werden dort auf eine akademische Ausbildung vorbereitet. Zwar müssen Gymnasien künftig ihre Angebote zur Berufsorientierung breiter aufstellen, als es bisher der Fall war. Aber das wird noch Jahre dauern, bis das in der Praxis wirksam wird.

Frage: Was schwebt Ihnen konkret vor?

Hille de Maeyer: Als Handwerkspastorin kann ich mich dort einsetzen, wo Schülerinnen und Schüler gucken, welcher Beruf zu ihnen passt. Und mich dafür einsetzen, dass auch das Handwerk wahrgenommen wird. Indem Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit ihren Händen arbeiten und diese Arbeit theoretisch reflektieren, eröffnen sich ihnen neue Einsichten. Denn das Körper- und Erfahrungswissen, das Handwerkerinnen und Handwerker, vom Orgelbauer bis hin zum Dachdecker, in ihren Berufen sammeln, wird – im Gegensatz zum akademischen Wissensschatz – gesellschaftlich unterschätzt.

Matthias Jung: An den Beispielen, die ihr gerade genannt habt, werden noch mal unsere unterschiedlichen Aufgaben als arbeitsweltbezogene Dienste deutlich. Wir sind Anwalt für unterschiedliche Berufsgruppen, wie die Handwerker oder Landwirte oder auch die Beschäftigten in der Automobilbranche, die seit der Diesel- und Klimadebatte unter Rechtfertigungszwang stehen. Wir sind Seelsorgerinnen und Seelsorger. Wir sind kompetente Gesprächspartner in allen Ethikfragen. Dazu kommt aber auch eine weitere Aufgabe hinzu, etwa als Mahner aufzutreten, der unangenehme Wahrheiten auf den Tisch legt.

Frage: An welche denken Sie?

Matthias Jung: Beim Fachkräftemangel ist das sicherlich die Tatsache, dass es ohne Zuwanderung nicht geht. Es wird nicht reichen, einzelne Berufe attraktiver zu machen und sich gegenseitig die Schulabgänger abzujagen. Das führt nur zu einem sinnlosen Verdrängungskampf um einen kleiner werdenden Kuchen. Laut einer Bertelsmann-Studie fehlen uns jedes Jahr 600.000 Arbeitskräfte, um den aktuellen Lebensstandard zu halten. Ohne eine jährliche Einwanderung in dieser Größenordnung über einen längeren Zeitraum bekommen wir weder unsere Spargelfelder abgeerntet noch gewinnen wir genügend Arbeitskräfte für Handwerksbetriebe oder die kirchliche Verwaltung.

Frage: Wie und wo wollen Sie auf solche Missstände hinweisen?

Matthias Jung: In Gottesdiensten, bei Meisterfeiern oder ähnlichen Veranstaltungen können wir solche Dinge zur Diskussion stellen. Dort, wo sich andere – vielleicht aus politischer Angst – nicht trauen, diese anzusprechen. Da können wir ruhig mal provozieren mit Fragen wie: Welchen Sinn haben all die Dienstleistungen und Produkte, die wir täglich erstellen? Wo soll das Ganze hinführen? Das ist etwas, was ich unter den Vorzeichen der Klimakrise immer wieder thematisiere – neben den Fragen, was ist gute Arbeit überhaupt oder was macht ein gutes Leben aus? Die gesellschaftliche Diskussion voranzubringen, gehört auf jeden Fall mit zu unseren Aufgaben dazu.

Ricarda Rabe: Ganz konkret wird es in meinem Bereich, wenn Gemeinden Kirchenland an landwirtschaftliche Betriebe verpachten und neue Auflagen oder Bedingungen für die Pächter formulieren. Etwa wenn eine Kirchengemeinde im Sinne der Bewahrung der Schöpfung für sich entscheidet, dass auf ihren Äckern künftig kein Glyphosat mehr verwendet werden darf.

Das sorgt für Diskussionsstoff?

Ricarda Rabe: Auf jeden Fall. Ich freue mich, wenn ein Landwirtschaftsfunktionär, der sich über diese neuen Kriterien geärgert hat, das Gespräch mit mir sucht. Und ich ihm erläutern kann, dass angesichts der klimatischen Herausforderung und der gesellschaftlichen Diskussion neue Lösungen zwischen dem Verpächter, dem jeweiligen Kirchenvorstand und den Pächtern, den Landwirten, gefunden werden müssen.

Matthias Jung: Du weist auf etwas hin, worüber wir noch gar nicht gesprochen haben – und das uns alle vier auf unterschiedliche Weise betrifft: Kirche als wirtschaftlicher Akteur. Indem wir Land verpachten oder Handwerker beauftragen oder Autos, Strom und Kaffee kaufen, sind wir ein Akteur und noch dazu ein großer Arbeitgeber. Wie alle anderen auch, müssen wir überlegen, nach welchen ethischen Kriterien wir handeln. Und hier haben wir als KDA und die anderen arbeitsweltbezogenen Dienste eine Doppelrolle inne. Wir sind Dialogpartner nach innen und nach außen.

Ricarda Rabe: Ich sage immer, wir gehören zum Außenministerium. Ich sitze in verschiedenen Gremien und repräsentiere die Kirche etwa im Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen. Ich fühle mich aber auch dafür zuständig, den innerkirchlichen Blick für die Wirklichkeit außerhalb der Kirche zu schärfen.

Frage: Zum Beispiel?

Ricarda Rabe: Wenn ich mit jungen Pastorinnen und Pastoren einen der größten Saatguthersteller der Welt, die KWS in Einbeck in Südniedersachsen besuche, und im Gespräch vor Ort die Klischees vom bösen Saatzucht-Unternehmen bei unseren Theologen ins Wanken geraten. Weil neue Gentechnik auch eine Chance sein kann, weniger Gift auf den Feldern einzusetzen. In der Wirklichkeit, in der wir leben, ist nicht alles schwarz-weiß. Es gibt viele Zwischentöne. Und die müssen wir erkennen.

Matthias Jung: Für diesen Wissenstransfer sind wir zuständig – von außen nach innen und umgekehrt. Im Dialog mit Handwerkern, im Dialog mit Landwirten, mit Unternehmern bekommen wir Veränderungen und Umbrüche mit, auf die wir reagieren müssen. Da geht es um mehr als nur um neue Gentechnik oder die Auswirkungen des demografischen Wandels. Es geht um Dinge wie Arbeitszeitgestaltung, um weniger hierarchische Führungsmodelle – und da können auch andere Unternehmen etwas von uns, vom Arbeitgeber Kirche lernen.

Ricarda Rabe: Dieser offene Austausch mit Landwirten, mit Unternehmen ist unglaublich wichtig, damit wir nicht in dieser Filterblase Kirche stecken bleiben und uns nur darum scheren, sage ich mal etwas überspitzt, wie wir die Jugendlichen konfirmieren oder demnächst die Kirche renovieren. Und nicht zuerst fragen, was muss für die Kirche getan werden, sondern zuallererst fragen: Was brauchen die Menschen in ihren sehr unterschiedlichen Lebensbezügen: also vom Obdachlosen bis hin zum Manager. Was können wir für diese Menschen tun?

Ralf Reuter: Letztlich geht es um die Erfüllung einer kirchenpolitischen Aufgabe: mit den wenigen übergemeindlichen Stellen im Haus kirchlicher Dienste diese Kontakte in die Zivilgesellschaft hinein zu halten und zu pflegen. Ich sage das ausdrücklich auch als Gemeindepastor, der ich das mit einer halben Stelle zusätzlich bin. Wir benötigen diese Stellen, um überhaupt in der Gesellschaft aktiv zu sein. Als Kirche wahrgenommen zu werden, Anregungen zu geben, selbst neue Perspektiven einzunehmen und anderen zu eröffnen und, und, und. Das darf innerkirchlich nicht aufgegeben werden.

Matthias Jung: Aus der kirchlichen Binnenperspektive liegt der Fokus auf dem Leben, der Familie und der Freizeit. Dabei wird oft vergessen, dass die Arbeit in erheblichem Maße unseren Alltag, das Familienleben und die Freizeit prägt. Und das reflektieren wir in unseren kirchlichen Angeboten bis hinauf zur Kanzel zu wenig. Diese Perspektive einzubringen, das gehört auch zu unseren Aufgaben.

Ricarda Rabe: Diesen Perspektivwechsel halte ich für zentral. Meine Herausforderung sehe ich tatsächlich darin, die gesellschaftliche Akzeptanz von und für Landwirtschaft zu stärken. Zu gucken, was sind realistische und zukunftsweisende Ansprüche, die gestellt werden können. Was kann verwirklicht werden? Wir können weder ins eine Extrem fallen und sagen, es muss jetzt alles ökologisch und regional sein, noch einfach weitermachen wie bisher. Als Kirche müssen wir schauen, wie wir den schmalen Grat gehen und den Landwirten als unseren Landpächtern und unseren Verbrauchern, unseren Gemeindegliedern gerecht werden.

Frage: Meinen Sie den Streit um die richtige Ernährung, um Bio-Lebensmittel und regionale Produkte?

Ricarda Rabe: Zum Beispiel. Denn wir können nicht auf der einen Seite von unseren Landwirten verlangen, alle Bio zu produzieren, und auf der anderen Seite als Verbraucher beim Discounter kaufen, weil unsere Gemeindekasse für das Seniorenfrühstück oder die Konfirmanden so leer ist. Das erlebe ich häufig. Insofern müssen wir richtige Forderungen mit der Lebensrealität abgleichen und neu justieren, um sie zu verwirklichen. Diesen Dialog zu führen, darin sehe ich meine Aufgabe.

Frage: Frau de Maeyer, welche Baustellen sehen Sie für sich im Handwerk?

Hille de Maeyer: Die Beziehungen zwischen Kirche und Handwerk sind uralt. Die Bibel erzählt auf ihren ersten Seiten, Gott ist ein Handwerker. Daraus sind über Jahrhunderte enge Verbindungen gewachsen, die sich gegenseitig befruchtet haben und sich auch in den Ritualen, Symbolen und Gegenständen widerspiegeln, die es im Handwerk gibt, noch gibt, muss man sagen, und bei Meisterehrungen oder Freisprechungen und anderen Feierlichkeiten eine große Rolle spielen. Diese Beziehung zwischen Handwerk und Kirche ist nicht mehr selbstverständlich. Sie immer wieder neu mit Leben zu füllen, darin sehe ich meine größte Aufgabe.

Frage: Wie wollen Sie das konkret erreichen?

Hille de Maeyer: Indem ich mir beispielsweise die Daten aller größeren Bauvorhaben in der Landeskirche habe geben lassen. Und im Gespräch mit den Gemeinden überlege, ob sie zum Abschluss einer Baumaßnahme mit den beteiligten Handwerkerinnen und Handwerkern einen Gottesdienst feiern. So kann man Beziehungen pflegen und diese öffentlich sichtbar machen.

Ricarda Rabe: Ähnlich wie du es beschreibst, Hille, ist es auch auf dem Land. Die Beziehungen zwischen Kirche und Landwirtschaft waren sehr, sehr eng. Das Erntedankfest ist das sprechende Beispiel dafür. Aber auch das ist nicht mehr selbstverständlich, weil wir auf dem Land einen ähnlichen Rückgang an Kirchlichkeit haben, wie wir ihn gesamtgesellschaftlich beobachten.

Ralf Reuter: Was ich feststelle, ist, dass insbesondere bei den jüngeren Führungskräften einerseits ein großes Interesse an kirchlichen Traditionen und eine Offenheit gegenüber spirituellen Fragen bestehen. Andererseits kann ich vor allem bei den Jüngeren nicht an vorhandene Glaubenstraditionen anknüpfen. Mal abgesehen von zwei, drei Bibelgeschichten fehlt häufig ein klassisches Fundament an christlicher Bildung, auf die wir zurückgreifen können. Unter anderem weil sie in ihrer Kindheit keinen oder nur sporadischen Kontakt zur Kirche hatten.

Hille de Maeyer: Ich würde das gerne ein bisschen relativieren und modifizieren. Von außen wird dieser Traditionsabbruch, den wir in der Kirche beklagen, kaum oder anders wahrgenommen. Handwerkerinnen und Handwerker sehen zunächst einmal die Kirche als Institution, die ihre Traditionen hat und darin lebt. Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit der Repräsentantin einer Handwerksorganisation, die sich um den Abbruch der handwerklichen Traditionen sorgt: Viele Handwerksbetriebe werden inzwischen von jungen Menschen geführt, die keine herkömmliche Handwerksausbildung mehr durchlaufen haben, sondern ein akademisches Studium absolviert haben. Sie haben handwerkliche Traditionen selbst nicht mehr er- und gelebt. Daher war die Handwerksvertreterin sehr interessiert daran, mit mir, mit uns als Kirche, gemeinsam neue Formate für die Zukunft zu entwickeln. Daran möchte ich anknüpfen.

Matthias Jung: Dieser Traditionsabbruch im Handwerk, den du beschreibst, droht sicherlich auch in anderen Branchen, wenn künftig überall die IT-Experten die großen Betriebe führen, weil es eigentlich nur noch digital gehen kann. Vielleicht können wir da auch unsere Expertise als Kirche anbieten. Immerhin blicken wir auf einen Traditionsabbruch zurück, der sich bereits seit dreißig Jahren vollzieht.

Frage: Herr Reuter, wie begegnen Sie dem Verlust von Tradition bei ihren Teilnehmenden?

Ralf Reuter: Eine wirkliche Lösung habe ich dafür nicht. Das ist die Herausforderung überhaupt, vor der wir stehen. Bei unseren Pilgertouren haben wir den Pilgergedanken zwar übernommen. Allerdings bieten wir die Touren geistlich geführt an, damit die Teilnehmenden in diese Formen hineinwachsen können. Und das funktioniert. Wir haben sehr viele, die wir über Jahre, ja fast über Jahrzehnte begleiten, die immer wiederkommen: um sich einfach hier wieder zu verorten und auch ein Stück weiterzuentwickeln. Dabei spielen Klöster wie Loccum und viele andere durchbetete Räume, die wir besuchen, eine große Rolle. Aber unser Hauptort ist und bleibt die Welt.

Wie meinen Sie das?

Ralf Reuter: Da wir auf die christliche Tradition nicht mehr automatisch bauen können, müssen wir getreu dem Motto, gehet hin in alle Welt, tatsächlich wieder mehr hinausgehen und vom Evangelium erzählen. Natürlich ist es wichtig, eine gewachsene Gemeinde zu betreuen, wie ich das in Göttingen auch tue. Aber mindestens genauso wichtig oder noch wichtiger ist es, in die Arbeitswelt zu gehen, bei den Menschen in der realen Welt zu sein, einer Welt, die sich stark wandelt.

Matthias Jung: Nach wie vor ist das Bedürfnis bei vielen Menschen da, sich mit den grundlegenden Fragen von Sinn, von Glaube, von Schuld und Vergebung, von Orientierung auseinanderzusetzen. Die Situation, in der wir als Kirche sind und die wir insgesamt heute vorfinden, ist aber, dass wir nicht mehr automatisch gefragt werden. Wir sitzen nicht mehr – wie früher – selbstverständlich mit auf den Podien oder in den Talkshows dieses Landes, sondern sitzen zusammen mit den anderen im Publikum. Vor 20, 30 Jahren saß in vielen deutschen Fernseh-Talkshows zu allen möglichen Themen ein Bischof oder eine Bischöfin. Das ist heute nicht mehr der Fall.

Frage: Bedauern Sie das?