Sea of Starlight. Episode 1: Take me Back - Alina A.E. Maurer - ebook

Sea of Starlight. Episode 1: Take me Back ebook

Alina A. E. Maurer

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Opis

»Irgendwie landen wir immer hier, oder?«  
Einen Atemzug lang schwiegen wir und lauschten dem Schmerz zwischen uns.  
»Hier hat es eben aufgehört«, flüsterte ich.  

Tilda verbringt ihre Zeit zwischen alten Schränken und Kronleuchtern im Antiquitätenladen ihres Dads. Ein Tag reiht sich an den nächsten, es passiert nicht viel im Küstenstädtchen Lunar Creek – bis er wieder auftaucht. Nach vier Jahren Funkstille ist Laurie plötzlich wieder zurück und mit ihm all die unausgesprochenen Gefühle und Fragen von damals. Während Tilda versucht, ihr gebrochenes Herz zu vergessen und nicht mehr an früher zu denken, stellt Laurie ihre Entschlossenheit auf die Probe. Können sie die Sterne neu ausrichten, um ihr Glück zu finden?  

 

»A Sea of Starlight« ist eine Geschichte über die Suche nach Zugehörigkeit, den Umgang mit Verlust und die unendlichen Möglichkeiten eines Sommers.  

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Liczba stron: 134

Rok wydania: 2024

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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Widmung
Playlist
Karte
Prolog
Kapitel 1. Oortsche Wolke, das Ende unseres Sonnensystems, oder wie mein vertrauter Sommer vorbei war
Kapitel 2. Enceladus, Saturns Eismond, oder wie unter meiner Gefühlseisschicht Leben herrschen könnte
Kapitel 3. Exoplanet, die Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, oder wie Laurie mich aus meiner Komfortzone holte
Kapitel 4. Polaris, der Polarstern, oder wie ich nach einem vertrauten Anhaltspunkt suchte
Kapitel 5. Andromeda, die Galaxie auf Kollisionskurs, oder wie ich mit Wahrheiten zusammenprallte
Kapitel 6. Voyager 2, die Raumsonde außerhalb unseres Sonnensystems, oder wie ich mich ganz weit weg fühlte
Kapitel 7. Uranus, der sich schief um die Sonne dreht, oder wie sich meine Gewissheiten verschoben
Kapitel 8. Saturn, der Planet mit den vielen Monden, oder wie zu viele Gedanken in meinem Kopf kreisten
Kapitel 9. Supernova, das Aufleuchten vor dem Tod eines Sterns, oder wie wir explodierten
Danksagung
Über die Autorin
Vorschau Episode 2
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Originalausgabe © 2024 by Rubino Books Verlag, Imprint von Legimi [email protected] Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Lektorat: Ineke Reichel
Umschlaggestaltung: Jincheng Hu
ISBN 978-83-67280-72-3
E-Book erstellt von eLitera s.c.

Für alle, die das Gefühl haben, zu leise zu sein.

Die richtigen Menschen hören selbst dein Flüstern.

A Sea of Starlight

Offizielle Playlist zum Buch

Smile FlowerSEVENTEEN

augustTaylor Swift

I miss you, I’m sorryGracie Abrams

I Don’t Know You AnymoreEric Nam

Forget MeLewis Capaldi

Right NowOne Direction

LightsBTS

the 1Taylor Swift

LabyrinthTaylor Swift

you were there for meHenry Moodie

sorryThe Rose

heartbeatsHanniou

끝나지 않을 이야기Stray Kids

Break My Heart AgainFINNEAS

what love feels likeAlan Fiore

If You Love HerForest Blakk

Best Years5 Seconds of Summer

Not That Far To GoTommy Ashby

You Are In Love (Taylor’s Version)Taylor Swift

StarlightWestlife

A Sea of Starlight-Playlist zu finden auf Spotify

Prolog

Es war viel zu februarkalt, um ohne Jacke draußen zu sein. Trotzdem saß ich auf der Holzbalustrade und ließ die Beine baumeln. Meine Lunge brannte noch von dem Joint. Ich sah über meine Schulter, um sicherzustellen, dass die anderen wieder reingegangen waren. Dann hustete ich, was das Brennen nur noch schlimmer machte. Ich hatte nicht mitrauchen wollen, aber der Joint war mir völlig selbstverständlich hingehalten worden. Ich war eigentlich nur mitgekommen, um frische Luft zu schnappen. Drinnen war es laut und voll, der Bass wummerte bis auf die Veranda hinaus.

Ich hätte Lauries Einladung ablehnen sollen. Was tat ich hier überhaupt? Auf einer Party, auf die die halbe Schule ging, mit Menschen, die mich sonst auf dem Flur ignorierten. Vielleicht hatte ich gedacht, ich wäre plötzlich anders. Ein Teil von ihnen. Aber so funktionierte das Leben nicht, die Sterne änderten nicht auf einmal ihre Konstellationen.

»Ist dir nicht kalt?«

Ich wusste, ohne mich umzudrehen, dass es Laurie war. Nur er hatte diese Stimme wie brechende Pazifikwellen.

Ich zuckte mit den Schultern. Ich konnte nicht aufhören, nach oben zu starren und mich zu fragen, wieso die Sterne so weit weg waren. Der nächste war Proxima Centauri mit 4,25 Lichtjahren, und selbst das wirkte wie halbe Unendlichkeiten.

»Das klingt gar nicht so weit«, sagte er und schwang sich neben mich auf das Geländer. Anscheinend hatte ich meinen zusammenhanglosen Gedanken laut ausgesprochen.

»Das sind über 25 Billionen Meilen«, widersprach ich. »Die Voyager 2, die seit 1977 im Weltraum ist, hat erst ungefähr zehn Milliarden Meilen zurückgelegt.«

»Okay, vielleicht ist das doch ziemlich weit«, gab Laurie lachend zu. Er tat es mir nach und sah auch nach oben. »Dazu sind wir im Vergleich ziemlich unbedeutend, was?«

Ich konnte wieder nur mit den Schultern zucken.

»Du wirst bestimmt auf deiner Party vermisst«, sagte ich.

Jetzt war es an ihm, die Schultern zu heben. »Die werden es auch ohne mich aushalten.«

»Aber es ist dein Geburtstag.«

»Willst du mich loswerden, Tilda?«, fragte er amüsiert. »Außerdem ist es nur noch ...« Er zog umständlich sein Handy aus der Hosentasche, was auf dem Geländer und mit einer Dose Bier in der Hand ziemlich gefährlich aussah. »... eine Minute lang mein Geburtstag.«

Ich fuhr mit den Händen über meine nackten Unterarme. Ich vermisste die langen Ärmel meines Lieblingswollpullovers, in dem ich meine Hände vergraben konnte.

»Und du frierst doch«, sagte Laurie. Er hielt mir die Bierdose hin und automatisch nahm ich sie entgegen. »Trink ruhig einen Schluck, wenn du willst«, fügte er hinzu.

Ich wollte nicht. Wollte aber auch nicht langweilig wirken oder – schlimmer noch – Nein sagen. Also setzte ich die Dose an meine Lippen. Das lauwarme Bier schmeckte widerlich.

Laurie zog sich sein Sweatshirt über den Kopf. Eine einzige geschmeidige Bewegung, bei der sein T-Shirt darunter hochrutschte und einen hellen Rücken entblößte. Ich verschluckte mich an dem Bier.

Er reichte mir den Pullover und nahm dafür seine Dose wieder an sich. Ich starrte den hellgrünen Stoff in meiner Hand an.

»Er beißt nicht«, sagte er mit funkelnden Augen. Da spiegelten sich ganze Universen in ihren Tiefen, dessen war ich mir sicher. »Zieh ihn ruhig an, mir ist nicht kalt.«

Ich blinzelte nur.

»Als dein Geburtstagsgeschenk«, sagte er. Er hielt sein Handy hoch, das Mitternacht anzeigte. »Happy Birthday, Tilda.«

Also schlüpfte ich in das Sweatshirt hinein, zog den Reißverschluss am Kragen hoch und vergrub eine Sekunde zu lang meine Nase darin. Es roch nach ihm. Nach Farbe und Waschmittel, und so unverkennbar Laurie. Gemütlich irgendwie, auch wenn ich den Duft nicht genau benennen konnte. Es fühlte sich sofort richtig an und wenn der Joint nicht meinen Kopf mit Watte gefüllt hätte, hätte es mir Angst gemacht.

»Jetzt tragen wir beide grün«, sagte ich. Völlig dämlich, diese Aussage.

Er runzelte die Stirn und sah auf sein dunkelgrünes T-Shirt hinab. »Stimmt. Wobei der Pulli mehr Salbei ist und mein T-Shirt eher Kiefer.«

»Danke«, sagte ich schnell. »Für das Sweatshirt, meine ich.«

»Dafür doch nicht. Du bekommst aber noch ein richtiges Geschenk, keine Sorge.« Er nahm einen Schluck Bier. Ich hatte ihm ein Set mit Graphitstiften geschenkt und mich neben dem mitgebrachten Alkohol der anderen total bescheuert gefühlt.

»Ach, schon okay« Ich zwirbelte eine meiner langen blonden Strähnen um den Finger. »Du musst auch nicht die Stifte benutzen.«

Er musterte mich. »Wieso sollte ich sie nicht benutzen?«

Schulterzucken, Haare drehen, Sweatshirtärmel lang ziehen. Keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte.

»Natürlich benutze ich sie«, sagte er mit Nachdruck. »Das ist vermutlich das beste Geschenk, das ich heute Abend bekommen habe.«

Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper. »Das musst du nicht sagen.«

»Ist aber so.« Er grinste schief. »Ich habe das Gefühl, dass du mich einfach am besten kennst.«

Ich starrte ihn an. Die Kurve seiner vollen Lippen, die Grübchen in den Wangen, den Fleck blauer Farbe an seiner Schläfe, der den ganzen Abend schon da war. Da lag nur Ehrlichkeit in seinem Gesicht.

»Du siehst mich an, als glaubst du mir nicht«, sagte er. »Ist es so verrückt, dass ich dich mag?«

»Schon«, flüsterte ich.

»Ich mag dich aber, alles an dir. Schon immer.«

Laurie Whistler mochte alles an mir.

Schon immer.

Kapitel 1

Oortsche Wolke, das Ende unseres Sonnensystems, oder wie mein vertrauter Sommer vorbei war

»Bereits im Jahr 1860 muss das Teleskop den Mond und die Planeten beobachtet haben. Und das, obwohl erst vierzehn Jahre vorher der Neptun entdeckt wurde«, sagte ich und strich gedankenverloren über das Teleskop auf dem Tisch vor mir. »Viel weiter kann es nicht schauen. Das konnten damals nur Riesenteleskope wie das von Herschel. Natürlich sind die kein Vergleich zu Hubble oder dem neuen James Webb heutzutage. Aber es ist unglaublich, wie viel wir damals schon über unser Universum erfahren konnten, finden Sie nicht auch?«

Die Kundin nickte höflich, ein schmales Lächeln umspielte ihre Lippen. Bei ihrem Mann eingehakt, hielt die Frau ihn neben sich. Sein Blick wanderte über die vielen Schmuckstücke im Laden. Er wollte eindeutig überall stehen außer neben dem kleinen Teleskop. Normalerweise hätte ich daraus den Schluss gezogen, dass ich ihnen lieber etwas anderes anbieten sollte, sonst würden sie gleich – ohne etwas gekauft zu haben – wieder verschwinden. Aber er hatte mit einem nebensächlichen »Sieh mal Liebes, ein altes Fernrohr« auf das Teleskop gezeigt und seitdem überschwemmte ich sie mit Informationen zu Sternhaufen, Nebelflecken und Spiralarmen von Galaxien.

Die Türglocke unterbrach meinen Redefluss. Automatisch drehte ich den Kopf, um zu sehen, wer in den Laden kam. Es war Dad. Er blinzelte, vermutlich um seine Augen an das dunklere Licht zu gewöhnen. Trotz des Sonnenlichts, das in den Laden fiel und sich in den Kristallkronleuchtern brach – bunte Lichtpunkte, die über die Möbel tanzten –, wurde es drinnen nie richtig hell. Ein schwarzer Blitz schoss an ihm vorbei und kam schwanzwedelnd auf mich zu. Sofort trat ich einen Schritt vom Tisch weg, damit Kopernikus mit seiner langen Rute nicht das Teleskop von seinem Platz fegte. Ich kraulte ihn hinter seinen dünnen Ohren, die mich an die von Kobolden erinnerten, und er hechelte freudig.

»Hey, Dad«, sagte ich. Die Familienähnlichkeit war nicht zu übersehen: Seine Augen hatten die gleiche verwaschene Farbe wie meine, eine undefinierbare Mischung aus Grün, Blau und Grau. Das gleiche breite, weiche Gesicht war bei ihm von tiefen Falten durchzogen. Im Gegensatz zu mir waren seine blonden Haare dunkler und lang genug, um sie vernünftig zurückzubinden. Er lächelte, aber es täuschte nicht über die dunklen Schatten unter seinen Augen hinweg.

Das Ehepaar nutzte seine Chance, um vor mir zu flüchten. Leise miteinander tuschelnd schoben sie sich zwischen den Tischen hindurch und zeigten auf Messingkerzenständer und alte Mahagonistühle. Kein Finger ging zum Teleskop.

»Solltest du nicht zu Hause im Bett liegen?«, fragte ich Dad.

Er wischte meine Bedenken – halb ernst, halb neckend geäußert – mit einer Handbewegung beiseite.

Dad klagte seit Monaten über Rückenschmerzen. Vermutlich Teil des Jobs, so oft wie er durch den Bundesstaat fuhr und schwere Möbelstücke herbrachte. Als ein stechender Schmerz in den Beinen und Füßen hinzukam, der vom Rücken ausstrahlte, bekam ich ihn endlich dazu, zu Nasia zu gehen und sich untersuchen zu lassen. Bandscheibenvorfall. Sechs Wochen den Rücken nicht belasten, Schmerzmittel nehmen und hoffen, dass es von selbst wegging.

»Da wird man doch verrückt, wenn man den ganzen Tag nur auf dem Sofa liegt. Ich war sowieso mit Kopernikus unterwegs.« Er legte die Hundeleine auf der Theke ab. Wir wussten beide, dass das eine Lüge war. Wir wohnten am Waldrand und die Main Street lag nicht auf unserer normalen Gassirunde. »Und da dachte ich, schaue ich mal rein. Ich verspreche auch hoch und heilig, nichts Schweres zu tragen.« Er hob zwei Finger in die Luft, um darauf zu schwören, und ich verdrehte die Augen.

»Als ob du es aushältst, nur im Verkaufsraum zu sein«, sagte ich. In spätestens einer Stunde würde er versuchen, seine neuste Errungenschaft – einen alten Ohrensessel mit floralem Muster – aus der Lagerhalle nach vorne in den Laden zu wuchten.

Dad fasste sich theatralisch an die Brust. »Du hast kein Vertrauen in mich, Tilda.«

Mit einem Grinsen wandte er sich ab, lief zu den Kunden und fragte sie, ob er ihnen behilflich sein könnte.

Ich warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Teleskop. »Wenn dich bis Ende des Sommers keiner kauft, sagt Dad, dass ich dich nach Hause mitnehmen darf«, flüsterte ich ihm zu. Das Teleskop schimmerte verheißungsvoll im Sonnenlicht. Ich ließ meine Finger noch kurz auf ihm liegen, ein Versprechen.

Dann dirigierte ich Kopernikus an seinem Halsband hinter die Theke, damit er der Kundschaft nicht im Weg stand. Der Pitbull-Mix war nur eine Ausrede gewesen, damit Dad sich doch in den Laden schleichen konnte. Wir kannten ihn beide gut genug, um zu wissen, dass er sich nur schwer zurückhalten konnte, wenn er einmal hier war. Er verbrachte dann Stunden hinten in der Werkstatt und restaurierte alte Möbel.

Die Kundengespräche waren meine Aufgabe, wie sie Mums Aufgabe gewesen waren. Mein Blick huschte zu dem Bilderrahmen, der neben der Kasse stand. Jedes Mal hinterließ ihr Anblick – lächelnd am Strand, Surfbrett unter dem Arm – ein dumpfes Pochen unterhalb meines Herzens. Der Schmerz war über die Jahre abgestumpft, verschwand aber nicht ganz. Er wurde nur erträglicher, bis man sich so sehr an ihn gewöhnt hatte, dass er nicht mehr war als ein vertrautes Gewicht. Nur noch spürbar in den kleinen, flüchtigen Momenten, wenn ich an sie dachte oder ihr etwas erzählen wollte, bis mir auffiel, dass sie nicht mehr da war.

Es gab nur eine andere Person, die ein ähnlich dumpfes Pochen hervorrief. Und an ihn wollte ich noch weniger denken, weil da nicht nur Schmerz, sondern auch Wut warteten.

Die Türglocke klingelte erneut und Kopernikus, der sich gerade erst auf seiner Decke zusammengerollt hatte, hob erwartungsvoll den Kopf. Bei der Frau, die durch die Tür flatterte, verschwand das dumpfe Pochen aus meinem Brustkorb sofort.

»Jo«, begrüßte ich sie mit einem breiten Lächeln. »Was machst du denn hier?«

Sie schob sich die große Sonnenbrille in ihr weißes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden hatte, und strahlte dabei wie die Sommersonne draußen. »Ach, ich bringe nur ein paar Cupcakes vorbei.«

Mein Lächeln verrutschte kein Stück, während Jo an die Kasse schwebte. Eine Plastikdose vor der Brust, in der sich der Horror – kaschiert unter Streuseln und Zuckerguss – versteckte.

»Das ist aber lieb von dir.« Ich nahm ihr die Dose ab und betrachtete misstrauisch die Cupcakes. Fröhlich gelbes Papier hielt die kleinen Küchlein zusammen. Von außen sahen sie ungefährlich aus, fast schon lecker. Aber ich hatte genug von Jos Backversuchen probiert, um zu wissen, dass sich hinter der hübschen Fassade etwas absolut Ungenießbares verbarg.

Sie lachte kurz. »Das ist doch nicht der Rede wert. Ich habe sie für die Helfer gebacken. Die Renovierungsarbeiten im Hotel beginnen heute.«

»Heute?«, fragte ich überrascht.

Seit Monaten sprach in Lunar Creek niemand mehr über etwas anderes. Alberts Hotel stand seit seinem Tod im vergangenen Jahr leer. Schon davor waren immer weniger Touristen gekommen, was vor allem daran lag, dass Albert und seine Tochter Emma nicht das Geld gehabt hatten, das große Haus zu renovieren. Es war die einzige Pension in der Stadt gewesen und wir alle lebten vom Tourismus. Lunar Creek war vielleicht nicht groß – nur eine der vielen Kleinstädte an der Nordküste Kaliforniens –, aber ich liebte unsere Stadt. Mit dem Nationalpark im Norden und dem Pazifischen Ozean im Westen bot sich eine Kulisse aus steilen Küsten, tiefblauem Wasser und immergrünen Fichten, die Zuhause bedeutete.

»Ich hätte lieber schon vor Wochen angefangen, damit wir zu den Sommerferien fertig sind«, sagte Jo. »Aber es ist, wie es ist.«

Ich beneidete Jo um ihren Pragmatismus. Meine eigenen Gedanken kreisten viel zu oft in schnellen Umlaufbahnen, die ich nicht durchbrechen konnte. Das Zerdenken war meine Sonne, die Angst und Sorgen und Verpflichtungen die Planeten.

Das Ehepaar von vorhin kam an die Kasse. Dad hinter ihnen, Schultern etwas hochgezogen. Den Ausdruck in seinen Augen erkannte ich sofort: Gleich kam ein »Nun denn«, eine vage Handbewegung über seine Schulter und dann würde er nach hinten verschwinden.

»Patrick!«, rief Jo und lief zu ihm herüber. »Wie geht es dir und deinen Bandscheiben?«

Beim Anblick von Dads genervtem Augenrollen musste ich mir ein Grinsen verkneifen und kassierte stattdessen das Ehepaar ab. Sie hatten sich für einen Globus entschieden. Sie zahlten, das Glöckchen klingelte und ich sah ihnen durch die großen Fenster nach, wie sie die Main Street hinuntergingen.

»Ich habe da diesen Sessel, der gut ins Hotel passen würde«, sagte Dad gerade. Er fuhr sich über die Bartstoppeln und sah Jo erwartungsvoll an.

»Da bin ich mir ganz sicher, Patrick. Aber unterstehe dich, ihn mir selbst vorbeizubringen. Nasia war sehr eindeutig: sechs Wochen keine Belastung«, sagte Jo streng.

»Ich weiß, ich weiß.« Abwehrend hob Dad die Hände. »Sonst würde ich dir auch beim Renovieren helfen.«

Jo seufzte. »Dabei können wir wirklich jede Hilfe gebrauchen. Die Handwerker für die Leitungen kommen hoffentlich Ende der Woche und bis dahin will ich alle Möbel, Böden und Tapeten raushaben.«