Märchen aus den Tiefen der Ostsee - Agata Półtorak - ebook + audiobook

Märchen aus den Tiefen der Ostsee ebook i audiobook

Agata Półtorak

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Opis

Haben Sie sich jemals gefragt, was auf dem Grund der Ostsee lebt? Ist es eine Muschel, ein Stein, eine ruhende Qualle oder vielleicht... ein Märchen? Die 21 Geschichten in Ihren Händen nehmen Sie mit auf eine Reise in die Tiefen der Ostsee. Sie erfahren, wie sich das Meer entwickelt hat, wer seine Bewohner sind und wie unser Verhalten deren Leben beeinflusst. Im zweiten Teil des Buches finden Sie ein kleines Lexikon, das Ihnen hilft, die Helden dieser Geschichten besser kennenzulernen.

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Popularność




Die polnische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel Bajki z dna Bałtyku im Verlag Wydawnictwo Marpress, Danzig.

 

Copyright ©2018 by Agata Półtorak

Für die deutsche Übersetzung

Copyright ©2021 by Magdalena Kotzurek

Für die deutschen Rechte

Copyright ©2022 by Wydawnictwo Marpress Sp. z o.o., Danzig

 

Covergestaltung: Zuzanna Nowak

Coverbild und Illustrationen: Agata Półtorak

Lektorat: Christian Wöllecke

Korrektur: Kristina Wengorz

 

Druck und Bindung: Totem.com.pl Sp. z o.o., Sp. k. Inowrocław

Auch als Hörbuch erhältlich

 

Erste Auflage 2022

Gefördert durch den Kulturförderfonds des Ministeriums für Kultur und nationales Erbe

ISBN 978-83-7528-285-6

 

www.marpress.pl

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Satz des E-books

Monika Lipiec /Woblink

Inhaltsverzeichnis

Startseite

Schlussschrift

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Autorin

Es war einmal ein Meer …

Die Geschichte von der alten Meerassel

Die Kinder der Ohrenqualle

Die Herzschmerzen der Herzmuschel

Die zänkischen Miesmuscheln und die Steinwälzer

Die letzte Reise der abenteuerlustigen Seepocken

Das beste Versteck der Welt

Die Neuen aus der weiten Ferne

Die geschwätzigen Grundeln

Ach du lieber Plattfisch!

Die Papas von den Unterwasserwiesen

Was ist denn das für ein Rohr?

Ein Unglückstag für die Eisente

Der Singschwan und der Höckerschwan

Der Tauchwettbewerb

Die vielen Probleme der Zugvögel

Die gewitzten Sandregenpfeifer

Wem gehört denn diese Insel?

Jede Möwenart ist anders

Schwierige Zeiten für die Kegelrobbe

Ein besonderer Gast in der Danziger Bucht

Kennst du die Tiere der Ostsee?

Vorwort der Autorin

Eines wolkenverhangenen Tages saß ich an einem Ostseestrand. Außer mir war fast niemand da, und nur die Stimme des Meeres war zu hören: Wellenrauschen und Möwengeschrei. Doch auf einmal war da noch etwas anderes: ein leises Flüstern, Wispern und Raunen. Unweit von mir lag ein langer Holzbalken, der in der vergangenen Nacht an den Strand geschwemmt worden war. Dieser Balken war über und über mit Seepocken und Miesmuscheln bewachsen. Und ob ihr es glaubt oder nicht … sie waren es, die sich da gerade unterhielten. Ich legte mich neben sie auf den kühlen Sand und lauschte, lauschte, lauschte … So hörte ich von all den Geschichten, die ich Wort für Wort aufgeschrieben und für euch illustriert habe. Wahrscheinlich sind sie voller Seemannsgarn. Ich weiß ja inzwischen, dass Seepocken und Miesmuscheln unglaublich gerne fabulieren. Aber wir sollten nicht vergessen, dass in jedem Märchen ein Körnchen Wahrheit steckt. Und an Sandstränden gibt es davon ja bekanntlich ziemlich viele …

Es war einmal ein Meer …

Vor nicht allzu langer, langer Zeit und nicht hinter den sieben Bergen, sondern genau jetzt und ganz in deiner Nähe, DA WAR EINMAL EIN MEER …

Es war nicht so riesig, tief und salzig wie die windgepeitschten Ozeane. Und trotzdem hatten sich unzählige verschiedene Tierchen genau diesen Ort zum Leben ausgesucht.

Im Sommer war es so warm, dass Kinder an den Ufern planschten. Und in besonders kalten Wintern breitete sich in den abgeschiedenen Buchten eine starke Eisdecke aus.

Am Grund dieses Meeres lag Bernstein, ein honiggelber Schatz. Wenn mal wieder ein besonders heftiger Sturm getobt hatte, schoben die Wellen den Menschen am nächsten Tag ein paar leichte, warme, gelbe Krümel zu – wie um sie wieder zu versöhnen. Und die Menschen machten Schmuck, aber auch Medizin daraus. Sie wussten ja schon lange, dass Bernstein geheimnisvolle Kräfte hat.

Die Bewohner der Ufer haben verschiedene Namen für dieses Meer gefunden. In Litauen, Russland und Polen heißt es das „Baltische Meer“. In Estland das „Westmeer“. Und in Dänemark, Schweden, Finnland und Deutschland ist es ganz einfach die „Ostsee“.

Die Ostsee ist durch verschiedene Meerengen mit der Nordsee verbunden. Alle paar Jahre kommen von dort große Mengen an kühlem, sehr salz- und sauerstoffhaltigem Wasser. Und die unzähligen Flüsse, die in die Ostsee münden, versorgen sie mit Süßwasser, das aber nicht immer besonders sauber ist.

Die Städte am Festland legen sich wie eine Perlenkette um dieses herrliche Meer, an dem es viele Halbinseln und Buchten gibt und in dem auch einige Dutzend Inseln liegen.

Zu jeder Tages- und Nachtzeit sind hier Fischerboote, Schiffe, Fähren und große Frachter auf unsichtbaren Routen von Hafen zu Hafen unterwegs.

Aber die Ostsee wäre ja nicht die Ostsee, wenn sich unter der Wasseroberfläche nicht auch noch etwas anderes verbergen würde: die aufregende Welt ihrer kleineren und größeren Bewohner. In dieser geheimnisvollen, sich ständig verändernden und unglaublich lebhaften Welt hatte jeder mal bessere und schlechtere Tage …

Die Geschichte von der alten Meerassel

Vor der Meerassel hatten alle Tiere größten Respekt. Besonders gesellig oder herzlich war sie nicht. Sie zeterte und nörgelte oft so sehr herum, dass sich alle anderen Tierchen lieber von ihr fernhielten. Aber jeder wusste, dass die Meerassel zu den ältesten Bewohnern der Ostsee gehörte. Sie hatte auch aus Zeiten, von denen die meisten keinen blassen Schimmer hatten, viele Geschichten auf Lager. Meist war sie in den Meerestiefen unterwegs und erzählte gern, dass sie das dortige kühlere, etwas salzigere Wasser an die guten alten Zeiten erinnere. Sie traf sich oft mit einem seltsamen Fisch – dem Vierhörnigen Seeskorpion – und einem anderen, nicht minder kuriosen wirbellosen Gefährten – dem Priapswurm. Die drei waren schon immer Freunde gewesen. Und die neugierigen Meerestierchen bekamen immer sofort Wind von ihren Treffen und kamen von weit her, um ihren besonderen Geschichten zuzuhören.

Diesmal kletterte die alte Meerassel auf einen großen Stein. Sie sagte eine Weile lang nichts und wackelte nur mit ihren Fühlern. Dann erzählte sie mit rauer, rasselnder Stimme: „Alles begann mit einem riesigen Eisberg. Hoho … Er war so groß, das könnt ihr euch nicht mal im Traum vorstellen!“

„So groß wie die Danziger Bucht?“, fragte eine kleine Herzmuschel schüchtern.

Die Meerassel brach in dumpfes Gelächter aus, sodass sogar ihr Panzer zu scheppern begann.

„Hahaha … größer als die ganze Ostsee zusammen! Das war ein riesengroßer Gletscher.“

„Und dann, was passierte dann?“, fragten die Flohkrebse ungeduldig.

„Nun ja, es wurde wärmer“, schnaufte die Meerassel mit finsterer Miene. „Und Hitze kann ich wirklich nicht leiden! Dieses vermaledeite warme Wetter brachte den Eisberg zum Schmelzen … und er wurde zu Wasser. Viel, viel Süßwasser. Auf diese Weise entstand vor zwölftausend Jahren der Baltische Eisstausee. Den gab es dann so ungefähr zweitausend Jahre lang. Er wurde größer und größer … bis er irgendwann überfloss und eine Verbindung zum Ozean entstand. Als eine riesige Welle Salzwasser in den Eisstausee schwappte, entstand das Yoldia-Meer.“

„Was für ein komischer Name!“, wunderten sich die Baltischen Plattmuscheln und lugten vorsichtig aus ihrem Gehäuse hervor.

„Ihr wisst aber auch gar nichts“, zischte der Vierhörnige Seeskorpion. „Yoldia war der Name einer Muschel, die euch eigentlich ganz ähnlich sah. Sie lebte hier vor langer Zeit und gab diesem Meer seinen Namen.“

„Herrliche Zeiten waren das“, fügte die Meerassel hinzu und bekam einen ganz verträumten Blick.

„Dreitausend Jahre später trennten sich das Yoldia-Meer und der Ozean wieder. So entstand der Ancylus-See.“

„Also lebte dort ein gewisser Ancylus?“, fragte die Herzmuschel.

„Richtig geraten!“ Die Meerassel kam wieder in Fahrt. „Ancylus fluviatilis, die Flussmützenschnecke! Sie ist klein, mit leicht gedrehter Muschel, und fühlt sich in Süßwasser ganz wie zu Hause.“

„Das waren schwere Zeiten“, brummte der Priapswurm. „Wir gruben uns in die tiefsten Tiefen des Sees ein und konnten trotzdem nur wie durch ein Wunder überleben, bis wieder das nächste Meer entstand: das Littorina-Meer. Unglaublich salzig und viel größer als die heutige Ostsee.“

„Littorina, die Große Strandschnecke, wohnt heute noch hier. Besonders gut ist es ihr nicht ergangen – sie beklagt sich ja ständig über das viele Süßwasser. Ein äußerst zartes Geschöpf, haha“, krächzte die Meerassel und schüttelte sich vor Lachen.

„Unsere heutige Ostsee hat sich seit viertausend Jahren kaum verändert. Nur dass sie damals Mya-Meer hieß“, sagte der Vierhörnige Seeskorpion und schwamm plötzlich davon.

„Ich bin müde“, sagte die Meerassel und knackte bedrohlich mit ihren Panzerschuppen. „Verschwindet! Finito Märchenstunde!“

Die Kinder der Ohrenqualle

Bei dem Wort „Qualle“ werden die meisten von euch an durchsichtige, glibberige Wesen denken, die wie winzige Regenschirme oder kleine Pilze im Meer herumschweben. Aber nicht alle Quallen sind gleich … Und ihre Kinder haben rein gar nichts mit Schirmchen zu tun.

In der Ostsee gibt es Quallen in ganz verschiedenen Formen. Manche sind so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum erkennt wie die Art Halitholus. DieGelbe Haarqualle, die bei heftigen Stürmen manchmal aus den Meerestiefen aufsteigt, ist hingegen eine Riesin unter den Quallen.

Ihr großer, bunter Schirm ist wunderschön anzusehen, aber das Bündel langer, giftiger Tentakel ziemlich gruselig. Wehe den kleinen Fischen, die in diese tödliche Falle geraten …

Die meisten Quallen wohnen in den kühleren, salzigeren Meerestiefen. Und die Ohrenqualle ist die Königin der flacheren Ostseegebiete geworden. Von ihr möchte ich euch heute erzählen.

Unsere Ohrenqualle führte ein sehr freies Leben. Sie glitt gerne mit leichten Schirmbewegungen durch die Danziger Bucht wie eine Unterwasserballerina.

Bei so viel Freiheit und Eleganz wurden die anderen Tiere ganz neidisch. Wenn Wind aufkam, ließ die Ohrenqualle sich treiben und von den Wellen mitreißen – manchmal bis ans andere Ende der Ostsee!

Die fiesen Miesmuscheln, die ihr ganzes Leben am Meeresgrund festsaßen, tratschten oft über die Ohrenqualle und machten sich erbarmungslos über sie lustig.

„Hahaha … die schwimmt immer dorthin, wohin die Wellen sie tragen. Ohne Rast und ohne Ziel!“

„Heute hier, morgen dort! Die bleibt nie an einem Ort!“

„Was soll nur aus ihren Kindern werden? Die haben ja gar keine Heimat!“

Den letzten Satz bekam die Ohrenqualle mit, die gerade zufällig vorbeischwamm.

„Ihr blöden Tratschtanten! Natürlich haben meine Kinder eine Heimat! Sie sind doch hier zu Hause!“, rief sie ihnen wütend zu.

„Hahaha … glaubst du doch selbst nicht!“, sagten die Miesmuscheln und kicherten.

Einige Wochen später brachten Herbstböen die Ostsee zum Tanzen. Die tosenden Wellen warfen viele Quallen bis ans Ufer – und auch unsere Ohrenqualle war spurlos verschwunden.

„Dann hätte sich das auch erledigt! Endlich keine Ballerina mehr!“, freuten sich die Miesmuscheln.

„Sicher sonnt sie sich an einem sandigen Strand!“, rief eine von ihnen und kicherte gehässig.

„Mit ihren Kindern!“, kicherte eine andere.

Wenige Tage später machten die Miesmuscheln eine seltsame Entdeckung. Überall – auf den Steinen, den Holzbalken am Meeresgrund, ja sogar auf ihnen selbst – hatten sich winzige Polypen niedergelassen. Sie wedelten mit langen, dünnen Tentakeln, ließen sich von den Wellen schaukeln und hielten sich mit einem dicken Füßchen dort fest, wo sie zufällig gelandet waren.

„Oje! Was ist das denn?“, kreischten die Miesmuscheln. „Fort! Fort! Wir sind hier zuerst gewesen!“

Doch was sie auch versuchten: Gegen die Neuankömmlinge kamen sie nicht an. Die Polypen ließen sich nicht vertreiben und lachten nur leise vor sich hin.

Irgendwann gaben die Miesmuscheln auf und ließen das Zetern.

„Sagt uns doch wenigstens, wer ihr seid!“

„Was? Wir? Wir sind die Kinder der Qualle! Die Kinder der Ohrenqualle!“

Es war genauso gekommen, wie es die Ohrenqualle vorausgesagt hatte. Ihre Kinder waren den Winter über in ihrem Zuhause geblieben: der Bucht, in der auch die Miesmuscheln wohnten. Im nächsten Frühling hoben sie dann vom Untergrund ab und stoben mit den Wellen auseinander: Aus ihnen waren unzählige Quallen geworden!

Die Herzschmerzen der Herzmuschel

Manchmal sehen Dinge wirklich so aus, wie sie heißen. Sonnenblumen zum Beispiel erinnern ja an kleine Sonnen. Und es gibt viele Beispiele mehr … Heute werde ich euch von der Herzmuschel erzählen. Das ist eine Muschel, die aussieht wie ein kleines Herz.

Seit vielen, vielen Jahren leben die Lagunen-Herzmuscheln mit ihren Familien, Verwandten und Freunden in den Buchten der Ostsee.

Und die Herzmuschel, um die es heute geht, hatte ein wunderschönes, geringeltes, graubraunes Gehäuse.

Ihr habt richtig gehört: Sie war graubraun. Und das fand sie ganz fürchterlich. Viele ihrer Freunde sahen genauso aus und fanden das überhaupt nicht schlimm. Aber es gab auch schneeweiße Herzmuscheln – und das war der große Traum unserer kleinen Herzmuschel. Sie wollte schneeweiß sein oder noch besser: rosarot!

Sie hatte mal eine Familie Baltischer Plattmuscheln mit tollen hellrosa Gehäusen gesehen. Was würde sie nicht alles dafür geben, um nicht mehr so graubraun zu sein!

Eines Tages tauchte ein schneeweißer Muschlerich in der Bucht auf. Und die kleine Herzmuschel verliebte sich Hals über Kopf in ihn. Sie dachte nur noch darüber nach, was sie tun könnte, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.

„Ich bin so hässlich, nichtssagend und unscheinbar!“, jammerte sie. „Oje, ich bin so schrecklich traurig! Mein Herz tut so weh!“

So ging es weiter, bis etwas geschah, das das Leben unserer traurigen Herzmuschel völlig auf den Kopf stellte.

Als sie mal wieder tieftraurig herumspazierte, stolperte sie über einen seltsamen Gegenstand. Es war eine alte, verrostete Dose, die jemand ins Meer geworfen hatte. Und ob ihr es glaubt oder nicht … knallrosa Farbe floss heraus! Der Sand, die Steinchen, die Pflanzen und sogar das Wasser um die Dose herum … alles war rosa geworden. Die Herzmuschel fand diese seltsame Landschaft ganz wunderbar.

Doch plötzlich hörte sie ein Kreischen und Schluchzen. Zwei junge Flohkrebse schwebten in ihre Richtung. Und sie waren … rosarot wie Rosenblüten!

„Oje, oje, oje“, schrien sie durcheinander, „was soll nur aus uns werden! Alles verklebt … Und wie wir nur aussehen …“

„Giftig ist das sicher auch noch! Wir sind erledigt!“

„Hätten wir doch nur auf Oma gehört … Sie sagt ja immer, dass wir uns von allem fernhalten sollen, was von den Menschen kommt.“

„Ojemine, ojemine!“

Sie waren so mit Jammern beschäftigt, dass sie die verblüffte Herzmuschel nicht einmal bemerkten.

„Wie dumm sie sind“, dachte sie. „Das ist doch genial!“ Sie wusste genau, was zu tun war. Sie kroch zur Dose und wälzte sich in der dickflüssigen Farbe herum. Kurze Zeit später war sie knallrosa … und überglücklich.

„Ich bin die schönste Muschel der Welt! Wie neidisch meine Freundinnen sein werden … Und der Muschlerich wird mich endlich bemerken!“

Überall, wo sie gewesen war, hinterließ sie eine rosa Spur im Wasser. Und sie selbst war in ein rosa Wölkchen gehüllt. Es war die Farbe, die sich langsam im Meerwasser auflöste. Die Herzmuschel beschloss, auf einen Felsen zu klettern: So würde sie auch wirklich jeder sehen können!

Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie verwundert und entsetzt sie war, als die anderen sie jedoch keineswegs bewunderten, sondern anfingen zu lachen.

Erst kicherten sie nur. Aber nach ein paar Minuten brüllten sie vor Lachen und kamen aus dem Gelächter gar nicht mehr heraus.

„Was für ein Look, hihihi“, lachten die Seepocken auf dem Felsen.

„Wie schick! Ojemine, ich platze gleich vor Lachen!“, rief der Seeringelwurm und wischte sich die Tränen aus den Augen.

Auch die Bekannten und Verwandten der Herzmuschel machten mit.

„Ich hatte mir das ganz anders vorgestellt, wie peinlich“, dachte sie und schloss sich verzweifelt in ihrem Gehäuse ein.

Wenig später hörte sie ein leises Klopfen. Als sie zwischen den Klappen hindurchlinste, sah sie den schneeweißen Muschlerich. Er lachte nicht. Ganz im Gegenteil: Er war gekommen, um sie aufzumuntern!

„Ignorier sie einfach!“, sagte er. „Das ist bald wieder weg. Und ehe du dich versiehst, bist du genauso schön wie eh und je!“

„Habe ich dich richtig verstanden?“, flüsterte die Herzmuschel verlegen. „Du findest mich schön?“

„Na klar!“, rief der Muschlerich. „Graubraun ist toll! Aber wenn du groß bist, wird sich deine Farbe sowieso von alleine verändern … Irgendwann bist du schneeweiß wie ich!“

Von diesem Tag an waren die Herzmuschel und der Muschlerich unzertrennlich. Die Miesmuscheln munkelten sogar, etwas von einer Verlobung gehört zu haben. Aber ob das wirklich wahr ist? Wir wissen es nicht.

Die zänkischen Miesmuscheln und die Steinwälzer

Die schwarzbraunen Miesmuscheln lebten in großen Gruppen am Meeresgrund und hielten sich mit starken, klebrigen Fäden an den verschiedensten Dingen fest. An Steinen, größeren Holzstücken, Schiffswracks … Sie waren einfach überall. Manchmal hingen sie sogar in ganzen Trauben an etwas fest. Doch obwohl sie so eng aufeinandersaßen, waren sie unglaublich streitlustig und zänkisch.

„Platz da, ich war zuerst hier!“

„Was? Du? Habt ihr gehört, wie die sich aufspielt? Mach doch selber Platz!

„Du frisst mir alles weg! Ich habe dich erwischt … Warum hast du dich bloß neben mich gesetzt?“

So ähnlich und sogar noch schlimmer ging es von morgens bis abends bei ihnen zu.

Ihre Nachbarn, die blassen, ruhigen Strudelwürmer und die lebhaften Flohkrebse, konnten das Gezeter kaum noch aushalten.

Die meisten Miesmuscheln glaubten, dass es sich in Ufernähe am besten lebte. „Da ist mehr Wärme und Futter“, sagten sie, kämpften verbissen um die besten Plätze auf den Felsen und verdrängten ihre schwächeren Artgenossen. Nur die alten, weisen Miesmuscheln blieben in den tieferen Gewässern zurück und waren damit komplett zufrieden.

Eines Tages beschlossen einige besonders draufgängerische und mutige Miesmuscheln, sich an den Felsen am Wellenbrecher anzusiedeln.

Die Älteren versuchten mit aller Kraft, sie davon abzubringen.

„Dort ist es richtig gefährlich! Das ist Wattgebiet! Bei Ebbe ist dort doch kein Wasser!“

„Was ihr da schon wieder schwafelt … Ihr seid doch nur neidisch, ihr alten Muscheln!“

Die Abenteurer schoben sich wochenlang Zentimeter um Zentimeter voran, bis sie schließlich ihr Ziel erreichten.

Sie teilten sich die Felsen so auf, dass jede mehr als ausreichend Platz bekam.

„Wunderbar! Endlich Freiraum und genügend Futter! Diese Feiglinge waren einfach nur neidisch auf uns!“

Sie waren so begeistert vom Umzug, dass irgendwann auch die anderen Miesmuscheln Wind davon bekamen. Bald brach die nächste Gruppe von Abenteurern auf. Dann die nächste … und nächste … Bis auf einmal der ganze Wellenbrecher von Miesmuscheln übersät war und auch hier ständig ohne Grund gestritten wurde.

Eines schönen Tages kamen die Flohkrebse mit schrecklichen Nachrichten vorbei.

„Ein Schwarm Steinwälzer ist gelandet! Es sind drei, nein, dreihundert!“, riefen die Flohkrebse, die sich mit Zahlen wirklich nicht auskannten. Doch einen Steinwälzer hätten sie sogar im Schlaf erkannt.