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Dumme Entscheidungen, die aus Einsamkeit getroffen werden; unglückliche, alles verzehrende Liebe; Hoffnungen und so manch bittere Erfahrung bis hin zum eigenen nicht sonderlich friedvollem Ableben. Es werden uralte Märchen wieder absolut wörtlich genommen. Formwandler, die neben ihrem blutigen Spieltrieb ein vollbesetztes Polizeirevier dem Erdboden gleichmachen oder Vampire, die dann doch nicht so einfach zu gängeln sind, wie es Dämonenfürst Luziveron gerne hätte. Aber auch unschuldige Liebe, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ein verhärtetes Herz wieder zum Schnellerschlagen zu bringen, obwohl das Ganze eher aussichtslos erscheint. All dies überrollt die verschiedenen Charaktere, die sich in Band Vier der 9-teiligen Buchreihe SEELENLOS tummeln. Wer also erfahren möchte, wie es mit Albians Menschensohn Galimar weitergeht; welches Märchen Snuff-Dämon Santanas diesmal zum (Ab)Leben erweckt oder welche Rolle die junge Elfe Mylandra in dieser Geschichte zwischen Licht und Dunkelheit spielt nun, lest selbst! Enthält: Selbstverliebte Elfen beiderlei Geschlechts; schüchterne Engel; wahre Freunde; verknallte Teenager; durchgeknallte Gegenspieler; Eifersucht, Verbitterung und wieder einmal jede Menge Gefühle und HerzschmerzWarnung: Nichts für Zartbesaitete, da auch hier wieder Gewalt- und Sexszenen explizit beschrieben werden.
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Nachdem der junge Elfenkaiser Albian van DeBeladore erfolgreich seine Mission erfüllt hat, und siegreich mit seinen Kriegern des Lichts auf seinen Heimatplaneten Altania zurückgekehrt ist, häufen sich die Ereignisse in schneller Folge. Wobei die junge Elfe Mylandra eine entscheidende Rolle spielt.
Galimar Delmarco, der Auserwählte, erfährt unterdessen, dass seine Mutter Eleonora bei einem tragischen Unfall ums Leben kam.Wobei er nicht einmal im entferntesten ahnt, wie sehr sein Leben bald schon aus den Fugen geraten wird, denn die Dämonen sind ihm bereits dicht auf den Fersen. Zumal diese schon bald vollzählig sind und somit ihr gesamtes Denken und Handeln ab da nur noch darum kreist, wie sie an den Dreizehnten gelangen. Wenngleich die erste heiße Spur zum Greifen nahe ist.
Und welche Rolle spielt der undurchsichtige Julian, um den herum die Gemüter in heftige Streitereien aus Verlangen, Missgunst und Hass aneinandergeraten? …
Warnung:
Diese Buchserie ist nichts für Zartbesaitete. Wer sich Themen wie Folter, sowie sexuelle und körperliche Gewalt nicht zumuten möchte, sollte daher von der Lektüre dieses Buches Abstand nehmen!
SEELENLOS
Band 04
Dämonische Spiele
Leandra Low
Dark Fantasy
Leandra Low schreibt seit frühster Jugend. Sie selbst ist eine bekennende Leseratte und liebt es anderen aus ihren Werken vorzulesen. Dadurch entstand auch ihre Lesegruppe »Das Dämonische Lesestübchen«, die sich regelmäßig trifft.
Die freischaffende Künstlerin lebt mit ihrem Mann Christoph in Hannover, wo sie sich neben dem Schreiben mit Malerei, Illustration, darstellender Kunst und Musik beschäftigt..
Alle Rechte vorbehalten!
Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Schauplätze, Ereignisse und Handlungen sind von der Autorin frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Ereignissen sind rein zufällig, oder so gewollt.
Kein Teil dieses Buches darf reproduziert, gescannt oder in gedruckter oder elektronischer Form ohne vorherige Erlaubnis der Autorin verbreitet werden. Ausnahme ist die Benutzung von Auszügen in einer Buchbesprechung.
Copyright 2020 Leandra Low / ZAUSEL–VERLAG
Website: https://leandralow.de
Cover und Illustrationen by Leandra Low.
2. Auflage; überarbeitet
ISBN: 978–3– 96858–067–8
Bisher als Print erschienen:
Seelenlos - Band 01 - Die Engelssuche
ISBN: 978-3-96443-939-0 ( Print 380 Seiten - 8.02.2019)
SEELENLOS Band 02 – Zeitreisen
ISBN: 978–3–96443–957–4 (Print 352 Seiten - )
SEELENLOS Band 03 – Die Rückkehr
ISBN: 978–3–96443–894–2 (Print 350 Seiten - 21.06.2019)
(Die Printbücher enthalten zudem zahlreiche Illustrationen.)
Bisher in Neuauflage als E-Book erschienen:
Seelenlos - Band 01 - Die Engelssuche
ISBN-Nr:ISBN: 978-3-95849-376-6 (E-Book - 8.02.2019)
SEELENLOS Band 02 – Zeitreisen
ISBN: 978–3–96544–157–6 (E-Book - 23.02.2019)
SEELENLOS Band 03 – Die Rückkehr
ISBN: 978–3–96661–126–8 (E-Book - 16.04.2019)
SEELENLOS Band 04 – Dämonische Spiele
ISBN: 978–3–96858–067–8 (E-Book - April 2020)
SEELENLOS - Band 05 - Flucht ins Ungewisse
ISBN: 978–3–96799–045–4 (E-Book - Mai 2020)
SEELENLOS - Band 06 - Der verlorene Sohn
ISBN: 978–3–96987–139–3 (E-Book - Nov. 2020)
SEELENLOS - Band 07 - Brüder des Lichts
ISBN: 978–3–96953–793–0 (E-Book - 2 Feb. 2021)
SEELENLOS - Band 08 - Emotionen
ISBN: 978–3– 98551–287–4 (E-Book - 15 April 2021)
Zu Beginn möchte ich allen Lesern danken, die dieses Buch auf legale Weise erworben, oder ausgeliehen haben. Daher vielen Dank für eure Unterstützung!
Leider kommt es immer häufiger vor, dass Bücher von uns Kleinautoren der Piraterie zum Opfer fallen, was bedeutet sie werden kopiert und zu Dumpingpreisen illegal angeboten, von denen der Autor nicht einen einzigen Cent sieht.
Sicher freut sich jede Leseratte, wenn sie ihren Hunger mit möglichst günstig ergattertem Lesestoff füttern kann, aber bitte vergesst dabei nicht diejenigen, die viele Stunden damit zugebracht haben, um sich Geschichten auszudenken und damit zu eurer Unterhaltung beizutragen. Ich denke niemand arbeitet gern umsonst …
Zwar fallen auch die Werke von Autoren der großen Verlage dieser Piraterie zum Opfer, aber diese sind zumeist durch ihren Verlag abgesichert, während wir Kleinautoren uns überhaupt nicht wehren können, sondern dem Ganzen einfach nur hilflos gegenüberstehen. Ich für meinen Teil habe jedenfalls nicht die Möglichkeit, jeden Monat pro Buch (!) rund 30 Euro locker zu machen, um Firmen zu beauftragen, die das Internet nach diesen Piratenseiten durchforsten, die ohnehin gleich nachdem sie aufgeflogen sind unter anderem Namen weitermachen. Allein der Vertrieb, der Druck und alles andere sprengt zumeist schon mein Budget.
Daher bitte ich euch dringend, bleibt fair und erweist uns Autoren auf diese Weise euren Respekt für unsere Arbeit, indem ihr diese Piraterie nicht unterstützt.
Vielen Dank, eure Leandra Low.
»Dieses Buch widme ich meinen Mädels vom
»Dämonischen Lesestübchen«,
die oft mit wohligem Schaudern meinen Erzählungen
lauschten und nicht genug davon bekommen.
Ihr habt mir viele nützliche Inspirationen gegeben
und euer Glaube, eure Begeisterung,
aber auch eure Kritik für meine Werke
haben meinen Mut nicht sinken lassen,
sondern mich zum weitermachen verleitet.
Ich danke euch, Mädels!!«.
Engel &Dämonen:
DER SEHER
Geschichtenerzähler Demar Julosrow aus Kroatien (geb. Januar 1798; 1820 bei Rettung zweier Kinder verbrannt) wird zum Engel SHYNTALL – Fantasie; Rufname: Demar
DER FORMWANDLER
Farmertochter Lane Barrington aus Colorado (geb. Februar 1883; 1904 zu Tode gefoltert) wird zur Angelina LOGANO – Regenbogen; Rufname: Loo
DER LICHTENGEL
Millionärssohn Jamain Erikson aus Schweden (geb. März 1957; 1974 erwürgt aus Habgier) wird zum Engel HALDOR – Licht; Rufname: Hal
DER WETTERENGEL
Der 17-jährige Senatorensohn Antonio Lepidos (geboren im Rom der Antike; im Circus durch die Löwen getötet) wird zum Engel RAVETH – Regen; Rufname: Rain
DER HEILER
Bauernsohn Cristoff Kilian aus Deutschland (geb. Mai 1660; 1681 als Hexer verbrannt) wird zum Engel SERENADE – Mondlicht; Rufname: Moon
DER LIEBESENGEL
Der 16-jährige Fischer Lamuell Koradis (geboren im Griechenland der Antike; bei Rettung einer Frau erstochen) wird zum Engel JALIMARA – Liebe; Rufname: Jali
DER SONNENENGEL
Gutbetuchter Bürger Angelo Petrell aus Österreich (geb. Juli 1968; 1995 durch Auftragsmord, der seiner Freundin galt, getötet) wird zum Engel SAJO – Sonne; Rufname: Jojo
HERR DER PFLANZEN, SPRECHER DER TIERE
Einzelgänger Ronald O´Cloude aus Irland (geb. August 1938; 1961 in den Tod getrieben – erhängte sich) wird zum Engel RUBIO – blutroter Rubin; Rufname: Red
DER ANFÜHRER
Elfenkaiser Albian van DeBeladore vertritt den Platz des zwölften Kriegers.
DER SEELENLOSE & 13. KRIEGER
Elfenprinz Silvano van DeBeladore ist der Auserwählte JALAY – Seltenheit, Silber. Spitzname: Silver
HERR DER GEZEITEN
Piratensohn Marco Lecourse aus England (geb. Oktober 1689; 1719 im Kampf gegen Dämon Jesebell getötet) wird zum Engel WAROLL – Gold, wertvoll; Rufname: Waro
DER VAMPIRISCHE MEISTER DES SCHWERTES
Edelmann Renaldo D´Arbo aus Frankreich (geb. 20. November 1767; 1789 von seiner eifersüchtigen Schwester erstochen) wird zum Engel MIRAGELL – Mitternacht; Rufname: Rage
DER FELSFORMER UND WANDLER
Der etwa 26-jährige Indianer White Eagle (Geburtstag unbekannt; starb im Kampf gegen Monsterbären) begegnet den Suchenden im Jahre 1993 in Kanada und wird zum Engel SHALARR – Schnee, Erstarrung; Rufname: Snow
Bisher gefundene Dämonenkrieger in der Reihenfolge ihres Auftauchens Band 01 – 03:
LUZIVERON
Anführer der Dämonen und begabter Gestaltenwandler. Benutzt auf der Erde beim Opferfang überwiegend den Decknamen Damian Daniel Natas und betreibt zwielichtige Geschäfte.
MAIDEN
Stolzer Wasserelf und Kampftalent. Benutzt auf der Erde beim Opferfang den Decknamen Joshua Draven und arbeitet dort als Surflehrer und Model.
LORENDOS
Sohn von Luziveron und ein wahrer Feuerteufel. Benutzte Identität auf der Erde noch unbekannt. War auf der erfolglosen Suche nach dem Kind der Prophezeiung.
XANTHOS
Werwolf – benutzt auf der Erde den Decknamen Romeo Savage, tritt als Rocksänger auf und heizt mit seinem Motorrad durch die Gegend.
ALESSIO
Hermaphrodit und Meister des Fleisches. Benutzt auf der Erde den Decknamen Sergio Fernandez, arbeitet als Sänger und Tänzer. Er und der Engel Jalimara hatten sich bereits gegenseitig als Gegner erkannt.
RHAMSIS
Ägyptische Teufelskatze und ältester der Dämonen. Benutzt auf der Erde den Decknamen Donevan Somerville und arbeitet als Forscher der Archäologie. Wurde bereits von Engel Raveth als Gegner erkannt.
SANTANAS
Durchgeknallter Sadist und zweitältester der Dämonen. Benutzt auf der Erde den Decknamen Orlando Dela Lothring und frönt seiner Neigung als Snuff-Film-Regisseur. Wurde von Engel Shyntall bereits als Gegner erkannt.
KARAMIRR
Dunkelhäutige Todeskralle. Benutzte Identität auf der Erde noch unbekannt.
VARUNGAR
Vogeldämon. Benutzt auf der Erde den Decknamen Nicolai Lombardi und arbeitet als Kunstdozent.
JESEBELL
Die Spinne des Todes. Benutzte Identität auf der Erde noch unbekannt.
SHANDAAR
Das Gift. Benutzt auf der Erde den Decknamen Francesco Ylang und arbeitete als Mensch als Dolmetscher.
Der zwölfte Krieger der Dunkelheit wurde bisher noch nicht gefunden …
Prolog II
Altania – In der Dämonenfeste!
Das Geräusch des Windes, der durch die Baumkronen nahe der Feste der Dämonen strich, glich dem eines vor Wut heulenden Wolfes. Daher bebte das Grüppchen zusammengekauerter Bergelfen, die auf dem eiskalten Steinboden im Inneren des Gemäuers kauerten, nicht nur vor Kälte.
Ihre schreckensweiten Blicke verfolgten das Treiben um sich herum mit einem Gemisch aus Neugier und grenzenloser Furcht. Was würde nun mit ihnen geschehen, da man sie aus ihren unterirdischen Kerkerzellen hatte bringen lassen?
»Diese dämliche Schlampe ist verreckt. Die hat sich tatsächlich für ihr Balg geopfert.« Stinkwütend, jedoch nicht sonderlich hoheitsvoll, ließ sich Luziveron in den schweren Ledersessel fallen. Ungeachtet aller Anwesenden, die es teilweise kaum wagten, Luft zu holen, geschweige denn, den Dämonenfürsten anzusehen. Letzteres aber dennoch immer wieder taten. Wie unter Zwang.
Luziverons inzwischen 25-jähriger Sohn Lorendos trat an den Sessel heran, auf dem sein Vater thronte, und ließ sich zu dessen Füßen nieder. Seine schlanken Hände spielten dabei mit den Gliedern einer massiven Stahlkette, die am Ende des Lederhalsbandes befestigt war, welches die Kehle seines derzeitigen Lieblingshaustieres umspannte. Er strich sich eine nachtschwarze Strähne aus dem attraktiven Gesicht und blickte anklagend zu seinem Erzeuger empor.
»Warum hast du ihre Seele nicht mitgebracht? Du hättest von ihr all das erfahren können, was sie dir zu Lebzeiten nicht verraten wollte. Du wirst langsam nachlässig, Väterchen«, rügte er Luziveron mit sanfter, einschmeichelnder Stimme, die so gar nicht zu seiner herzlosen Wesensart passte.
»Das wollte ich vielleicht tun, du Klugscheißer. Also kack mich hier nicht dumm von der Seite an. Durch den Aufprall mit dem Tanklastzug wurde Mutter Courage viel zu schnell aus ihrem Körper herausgeschleudert. Sie war schon fort, bevor ich sie zu fassen bekam«, brummte der Dämonenfürst und bedachte seinen Spross mit giftigen Blicken.
Lorendos konnte ein Grinsen nicht verhindern, als er achselzuckend antwortete: »Tja, dann hat die kleine Menschenfrau dich ja tatsächlich am Ende noch austricksen können.«
»Hüte deine spitze Zunge, Sohn! Ansonsten reiße ich sie dir eigenhändig raus«, herrschte sein Vater ihn daraufhin an, während er behände vom Sessel aufsprang.
Sein Augenmerk fiel auf die anwesenden Bergelfen. »Was soll überhaupt dieses Aufgebot von Schlachtvieh hier?«
»Nun, ich dachte, dass einige unserer Krieger unverzüglich zur Erde aufbrechen sollten, um nach dem Dreizehnten zu suchen«, antwortete Lorendos lakonisch. Er schien mit dem Misserfolg des Vaters gerechnet zu haben. Denn in Gedanken fügte er hinzu: nachdem du ja versagt hast!
Laut fuhr er fort: »Ich gehe davon aus, dass die Spur zum Auserwählten noch frisch ist. Bestimmt wurde das Kind längst über den tragischen Verlust seines Muttertiers unterrichtet. Vielleicht hättest du gut daran getan, herauszufinden, wo die beiden gehaust haben, um dort auf die Ankunft des Blags zu warten. Weißt du denn wenigsten, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt?«
»Es war keine Zeit dafür. Der Tunnel öffnete sich bereits. Außerdem konnte ich mir nicht sicher sein, ob sie dem Balg nicht anderorts Bescheid geben. Dann hätte ich mir umsonst die Füße in den Bauch gestanden. Und was das Geschlecht angeht, ich bin überzeugt, dass es ein Junge ist. Zumal die Prophezeiung eher darauf schließen lässt, dass der spitzohrige Wichser zwei Söhne zeugen soll, die sich nach dem Tod des Erdenzöglings vereinen. Abgesehen davon haftete dieser lebensmüden Bitch der Geruch ihres Welpen an, so als würde sie täglich darin baden. Den bekomme ich so schnell nicht mehr aus der Nase. Den wittere ich zukünftig zehn Meilen gegen den Wind«, orakelte Luziveron.
Lorendos nickte: »Dein Geruchssinn in allen Ehren, Vater. Nichtsdestotrotz sollten unsere Leute so zügig wie möglich aufbrechen. Meinst du die da reichen, um als Reisetickets für die Verbindungstunnel herzuhalten?« Er deutete auf die verängstigten Bergelfen, die sich bei seinen abfälligen Worten noch enger aneinanderschmiegten.
»Ich denke schon. Ansonsten finden sich bestimmt noch andere brauchbare Nutztiere in den Tiefen unseres unerschöpflichen Kellervorrats«, grinste Luziveron teuflisch.
»Gut, dann werde ich alles Nötige veranlassen. Ich habe mir gedacht, da Santanas sich momentan ohnehin auf Errah aufhält, schicken wir ihm noch Rhamsis, Maiden und Varungar zur Verstärkung. Sie besitzen allesamt nützliche Fähigkeiten, die für die Suche von Vorteil wären. Außerdem könnten sie noch dringend ein paar Seelen gebrauchen, um ihre Befähigung und Kraft auszubauen. Immerhin sind sie unsere besten Krieger!«
Mit der letzten Bemerkung wies Lorendos darauf hin, dass es für einen Dämonenkrieger unerlässlich war, sich stetig von Seelen zu nähren. Nur durch diese wurde er immer stärker – und somit auch gefährlicher. Ein bedrohlicher, ernstzunehmender Gegner für den jeweiligen Engel, dem er im bevorstehenden Kampf entgegentreten würde.
Daher sammelten Luziveron und seine Leute diese kostbare Nahrungsquelle, wann immer sich ihnen eine Möglichkeit eröffnete. Allerdings bot Altania, aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen des Engelpalastes, kein allzu großes Jagdgebiet für sie. Dagegen stellte Errah, wie die Erde auf altanisch genannt wurde, ein wahres Füllhorn an Seelen bereit.
Seelen jeglicher Art im Übermaß, die anscheinend nur darauf warteten, von Dämonen wie »Blumen des Schmerzes« – so eine ihrer lyrischen Umschreibungen – gepflückt zu werden. Zumal die modernen Menschen des 21. Jahrhunderts die Existenz von Engeln und Dämonen ohnehin zum größten Teil, als religiösen Aberglauben oder Fantasie abtaten. Deswegen erkannten sie die tödliche Gefahr nicht, in der sie schwebten. Denn nur, wenn das Opfer getötet wurde, konnte der Dämon dessen Seele in sich aufnehmen. Und je grausamer er hierbei vorging, umso essenzieller bot sich ihm die Seele dar. Daher hatten sich Luziverons Mannen, im Laufe ihrer Lebensjahre, zu wahren Meistern der Folter und der Tötungskunst entwickelt.
»Das ist eine vortreffliche Auswahl«, stimmte derweil Luziveron zu. »Ich selbst werde mich ihnen anschließen. Hauptsächlich, weil wir endlich unseren zwölften Mitstreiter finden müssen. Du wirst inzwischen hier die Stellung halten und mich hoffentlich würdevoll vertreten. Solange, bis ich dich und die anderen rufen lasse.«
»Habe ich dich jemals enttäuscht, Vater?«, lächelte Lorendos mit unschuldigem Augenaufschlag.
»Sagen wir mal so … enttäuscht hast du mich lediglich bei deiner erfolglosen Suche nach dem Kind der Prophezeiung. Zu einer Zeit, wo wir es noch hätten gefahrlos beseitigen können. Aber was das Herrschen angeht, so wäre dies Wort unzutreffend gewählt. In dem Bereich muss ich dir eher mein Lob aussprechen. Allerdings muss ich auch immer häufiger feststellen, dass du dich zu leicht von unwichtigen … Dingen … ablenken lässt.« Luziverons Blick wies kurz in Richtung des Kettenendes, dessen Anfang Lorendos spielerisch in den Händen drehte.
Die bildhübsche Wasserelfe, die sich am Ende der Kette befand, senkte erschrocken die Augenlider, als sich der furchteinflößende Blick des Dämonenfürsten in ihren eigenen brannte.
Lorendos lachte auf: »Aber Vater, du musst zugeben, dass Königin Siris Geschenk geschmackvoll ist und mir daher schon seit längerem Freude bereitet.« Dabei zog er so kräftig an der Kette, dass die Elfe direkt vor seine Füße stolperte.
Der junge Dämon streichelte ihr augenscheinlich zärtlich über das hellblonde Haar, so als sei sie wahrhaftig ein Hund und keine Frau. Dann zwang er sie jedoch in die Knie und drückte ihren Kopf gegen seinen Schritt, wohlwissend, dass diese erneute Erniedrigung ihr deutlich ihre derzeitige Stellung zuwies.
Tränen sammelten sich derweil in den silberfarbenen Augen der Wasserelfe.
Ihr Name war Yulomea. Und sie befand sich lediglich in dieser bedrohlichen Lage, weil sie es vor Jahren wagte, ihrer despotischen Königin einen Mann zu bringen, der sich als Herrscher des Landes Altania entpuppte. Albian van DeBeladore Höchstselbst!
Wie aber hätte sie dies damals wissen sollen, als sie den fremden Elfenkrieger auf einer Lichtung entdeckte, auf der er gerade sein Reittier tränkte? Er war so unbeschreiblich attraktiv und sie hatte ausschließlich daran gedacht, wie sehr er ihrer Königin gefallen würde. Zumal Yulomea nichts mehr, als deren Gunst herbeisehnte. Ihr Plan war jedoch nach hinten losgegangen, als sich der Fremde ihrer Anführerin offenbarte und diese damit in eine unangenehme Situation brachte.
Siri hatte ihr dies dumme Vergehen anscheinend niemals verziehen. Egal, wie bemüht Yulomea danach auch war.
Als nämlich der Tag kam, an dem erneut ein Opfer für den Dämonenhort aus ihren Reihen erkoren wurde, hatte Siri ohne Zögern direkt auf Yulomea gewiesen. Obwohl es andere gab, die sich Yulomeas Meinung nach bedeutend unwürdiger erwiesen hatten, und daher vor ihr geopfert werden sollten. Nicht zuletzt, da jeder wusste, dass es einem Todesurteil gleichkam, wenn man in die Feste der Dämonen gebracht wurde. Aber Yulomea hatte die Hoffnung vorerst nicht aufgegeben. Erst recht nicht, als sie sah, wem sie als Gunstgeschenk übergeben wurde. Zunächst hatte sie sogar irrtümlich geglaubt, Siri wäre ihr nun doch wieder wohl gesonnen. Denn schon beim ersten Anblick von Lorendos hatte Yulomea sich Hals über Kopf in den dunkelhaarigen Dämon, mit den honiggelben Augen, verliebt, der sie charmant anlächelte. Dabei strahlte er so viel Wärme und Güte aus. Sie erhoffte sich, dass all die grausamen Geschichten, die man sich, hinter vorgehaltener Hand, über das Volk der Dämonen erzählte, nicht der Wahrheit entsprachen. Wesen, von solch einer Schönheit und Anziehungskraft, durften einfach nicht durch und durch böse sein. Oder?
Aber sie wurde schnell eines Besseren belehrt.
Lorendos´ Ausstrahlung trog so sehr wie sein freundliches Lächeln, oder der Klang der warmherzigen Stimme. Er war ein brutaler Sadist, der sich jede Nacht, derer er sich ihres ungeschützten Körpers bemächtigte, neue Quälereien einfallen ließ, die lediglich seiner Befriedigung dienten. Vor allem aber, hatte er ihr gleich am ersten Abend ihres Beisammenseins unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er sie sofort töten würde, wenn sie sich seinem Willen widersetzte. Oder er ihrer überdrüssig wäre. Also tat sie alles, um ihm zu gefallen. Selbst, wenn es noch so schmerzhaft und erniedrigend war.
Luziveron seufzte derweil: »Nun gut sei’s drum. Es war vermutlich für einen Einzelnen eine viel zu schwere Aufgabe, unter all den Millarden von Sterblichen, auf der Erde ein bestimmtes Kind zu finden. Von dem wir ja nicht einmal wussten, wo genau es sich aufhielt. Geschweige denn, wie es heißt und welches Geschlecht es innehatte. Zumal dir die Zeit im Nacken saß und du zudem so agieren musstest, dass es die andere Seite nicht mitbekam.« Er straffte die Schultern und fuhr im gewohnt unerbittlichen Tonfall fort: »Daher sollten wir jetzt keine unnötige Zeit mehr verschwenden. Sag deinen ausgewählten Kriegern Bescheid, Lorendos. Hiernach tötet dieses Gewürm, damit wir unverzüglich aufbrechen können!« …
***
Schwächen
Unsere Träume können wir erst
dann verwirklichen,
wenn wir uns entschließen,
einmal daraus zu erwachen
(Josephine Baker)
Galimar II
Deutschland – Frankfurt – Juni 2006
Als der fünfzehnjährige Galimar Delmarco am Nachmittag von der Schule nach Hause kam, parkte eine Polizeistreife vor dem Haus, in dem er zusammen mit seiner Mutter Eleonora wohnte. An sich nichts Ungewöhnliches, dennoch beunruhigte Galimar etwas an dem Verhalten der beiden Beamten. Es erschien ihm, als warteten sie auf Jemanden und ihre düsteren Mienen besagten nichts Gutes.
Er kramte im Rucksack nach dem Haustürschlüssel, als sich die Beifahrertür des Wagens öffnete und einer der Polizisten ihn ansprach.
»Entschuldigen Sie junger Mann, kennen Sie einen Galimar Delmarco? Er soll hier wohnen.«
»Ja?« Misstrauisch beäugte Galimar den ausgestiegenen Mann, der auf ihn zukam. Der war groß und untersetzt. Mit dunklem, schütteren Haar, wasserblauen Augen und einem kunstvoll gezwirbelten Schnurrbart, der dem Gesicht einen gutmütigen Ausdruck verlieh, auch wenn er momentan sehr ernst dreinschaute.
»Was wollen Sie denn von ihm?«, fragte Galimar und bemerkte, wie seine Hand, die den Schlüssel hielt, zu zittern begann. Er schwor sich im Stillen, dass er sich nicht zu erkennen geben würde, bevor er nicht erfuhr, welches Anliegen die Polizei an ihn hatte. Aber der Polizist machte den Plan zunichte.
»Tut mir leid, aber darüber darf ich keine Auskunft geben. Also kennen Sie … ähm du diesen Galimar?«
»Ich bin Galimar Delmarco«, erwiderte er daraufhin.
Als er den zweifelnden Blick des Beamten auffing, der wohl sein Alter kannte, holte er aus der Innentasche seiner Weste eine Brieftasche heraus und zeigte ihm eine Schülerfahrkarte.
Er war es inzwischen gewohnt, dass die Leute ihm nicht glaubten, wenn er ihnen sagte, dass er erst fünfzehn Jahre alt war. Der vor ihm stehende Polizeibeamte, mit Namen Patrick Scheller, war da keine Ausnahme. Aus seiner Sicht gesehen sah Galimar so aus: Ein über Einen-Meter-Achtzig großer, athletisch gebauter Junge, für den die Bezeichnung attraktiv noch reichlich untertrieben erschien.
Er hatte seine blauschwarz gefärbte Mähne, die eigentlich in einem warmen kastanienbraun leuchten müsste, wie der Haaransatz verriet, mit einem Schaltuch zu einem lockeren Zopf zusammengebunden. Wobei das Tuch die gleiche Farbe wie die Augen seines Besitzers hatte. Vereinzelte Strähnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, umrahmten indessen ein atemberaubendes Antlitz.
Der Bursche hätte sich, Patricks Meinung nach, locker als Modell einen Namen machen können. Er sah jedenfalls keineswegs wie der schmalbrüstige, pickelige Teenager aus, den er und sein Kollege Rudolf Hansen erwartet hatten.
Patrick blickte auf in das befremdliche Augenpaar seines Gegenübers, welches fragend und ängstlich zugleich auf ihn gerichtet war. Diese Augen waren erstaunlich, und das Erste, was einem an dem Jungen auffiel, da sie in einem schimmernden kornblumenblau leuchteten und je nach Stimmungsschwankung in ein facettenreiches Violett umschlagen konnten.
Zudem wurden die Augen durch den dunklen Hautteint vorteilhaft unterstrichen, welcher ungewöhnlich glatt und makellos erschien. Aber dieser junge Mann schien ohnehin außergewöhnlich zu sein.
Er vermittelte Patrick den Eindruck, als würde er nicht in diese Welt gehören und die seltsamen Augen verwirrten den Polizisten zusehends. Trotz der verfahrenen Situation drängte sich ihm die Frage auf, ob die Augenfarbe echt sei, oder Galimar mit farbigen Kontaktlinsen nachgeholfen hatte. Doch er nahm sich zusammen. Musste sich allerdings regelrecht vom Anblick des Jungen losreißen, um auf den weniger erfreulichen Grund seines Hierseins zu sprechen, zu kommen.
»Nun«, Patrick räusperte sich geräuschvoll. »Ich fürchte, dass wir Ihnen … ähm, dir keine angenehme Nachricht überbringen müssen.«
Galimar wurde blass. »Ist … ist etwas mit meiner Mutter?«, stieß er augenblicklich hervor.
»Nun, es hat …«, der Beamte senkte beschämt den Blick, »… es hat einen Unfall gegeben. Laut Polizeicomputer war der Halter des Fahrzeugs deine … äh, Ihre Mutter. Aber um absolut sicher zu sein, dass sie auch das Opfer ist, müssten wir dich bitten, dass du mit uns kommst, um sie … die ähm … Leiche zu identifizieren.« Noch immer kam Patrick damit ins Schleudern, ob er Galimar nun duzen, oder wie einen Erwachsenen ansprechen sollte. Der Junge löste einfach eine eigenartige Beklemmung in ihm aus.
Alle Farbe war derweil aus dessen Gesicht gewichen. Wie in Trance ließ er sich von Patricks Kollegen Rudolf zum Streifenwagen führen und stieg ein.
Nein, bitte nicht Mama. Du darfst mich nicht auch noch verlassen!, betete er im Stillen und hoffte inständig, dass man seiner Mutter Eleonora lediglich das Auto gestohlen hatte. Dass der Dieb damit dann den Unfall baute, und seine Mutter sich inzwischen bei der Polizei gemeldet habe, um den Diebstahl des Wagens zu melden.
Aber in ihm nagten die Zweifel und erneut überkam ihn Übelkeit, als er an den Wachtraum vom Schulvormittag zurückdachte, bei dem er das schreckliche Gefühl eines immensen Verlustes empfand. Galimar umklammerte das fantasievoll gestaltete Silberkreuz, welches er an einem langen Lederband um den Hals trug. Ein Geschenk Eleonoras zu seinem zehnten Geburtstag.
Er begann leise zu beten: »Bitte Gott, lass das alles nur einen bösen Traum sein. Du kannst es nicht zulassen, dass man mir schon jetzt den letzten, geliebten Menschen genommen hat, den ich auf der Welt noch habe.« Tränen stiegen ihm in die Augen und rollten die Wangen herab. Doch nicht einmal die bemerkte er. Auch nicht, dass ihn die beiden Beamten im Rückspiegel besorgt beobachteten. Patrick und Rudolf tat der Junge leid, der in sich zusammengesunken auf der Rückbank hockte und einen derart verlorenen Eindruck vermittelte.
Später dann musste selbst ein hartgesottener Bulle wie Patricks und Rudolfs Vorgesetzter Eduard Jochens verbissen mit den Tränen kämpfen. Angesichts der Verzweiflung, die er von den fein gezeichneten Gesichtsügen des Jungen ablesen konnte.
Galimars frommer Wunsch `gen Himmel war nicht erhört worden. Anhand der wenigen Habseligkeiten, die man bei den verkohlten Leichenteilen gefunden hatte, und die den Flammen nicht zum Opfer gefallen waren, konnte er seine Mutter identifizieren. Um ganz sicher zu sein, dass es sich bei dem Opfer um Eleonora Delmarco handelte, wollte man anhand der Gebissabdrücke eine weitere Bestätigung bei Eleonoras Zahnarzt einholen. Doch es gab ohnehin keinen Zweifel mehr.
Galimar indessen weckte in den drei Beamten ungeahnte Beschützerinstinkte. Am liebsten hätte jeder von ihnen den Knaben in die Arme geschlossen, um ihn vor allem Leid der Welt zu bewahren. Nur das Wissen, dass das ein Wunsch der Unmöglichkeit war, ließ sie zögern, das für sie ungewöhnliche Bedürfnis in die Tat umzusetzen.
Das dem so war, lag nicht allein daran, dass Galimars Aussehen, sein jeweiliges Gegenüber faszinierte, sondern sein leiblicher Vater – Albian van DeBeladore – war es gewesen, der einen Schutzbann über sein Kind legte, bevor er es verlassen musste. Dieser Bann bewirkte, dass jeder, der auf Galimar traf, den dringenden Wunsch verspürte, ihn zu beschützen oder zumindest, ihm niemals wissentlich ein Leid zuzufügen. Zudem sorgte der Schutzzauber auch dafür, dass es den Dämonen bisher nicht gelungen war, den Jungen aufzuspüren.
Auch jetzt, da Eleonora Luziveron in die Fänge geraten war, taten sie sich noch schwer damit. Allerdings war der Schutzbann, der Galimar umgab, seit dem Tod der Mutter, merklich schwächer geworden.
Momentan hockte das Objekt der dämonischen Begierde auf einem der orangeroten Plastikstühle, die sich im Wartebereich der Polizeiwache befanden. Einen Becher Kaffee in den zitternden Händen, starrte er die schmutzigweiße Wand ihm gegenüber so intensiv an, als würde er dort die Lösung für all´ seine derzeitigen Probleme suchen. Er hatte den blauvioletten Schal aus dem Haar gezogen und die dunkle Mähne fiel ihm wie ein Vorhang ins Gesicht, so als wolle er sich hinter ihr verstecken.
Eine Frau mittleren Alters, die ihm schräg gegenübersaß, beobachtete ihn schon eine ganze Weile voll bewundernder Faszination. Niemals zuvor war Juliana Bertoni auf einen derart attraktiven, jungen Mann getroffen. Auch wenn er jetzt einen eher bemitleidenswerten Anblick bot, übte er dennoch einen intensiven Reiz auf sie aus, dem sie sich nur schwer entziehen konnte. Wobei sie sich fragte, aus welchem Grund er hier war.
Einer der beiden Beamten, die sie angerufen hatten, erschien und winkte sie in den benachbarten Raum, in dem man durch eine dicke Glasscheibe in den Vorraum schauen konnte. Julianas Blick wanderte daher immer wieder in Galimars Richtung, während sie sich die Ausführungen der Polizisten anhörte.
»Frau Bertoni, haben Sie mir zugehört?«, fragte Eduard Jochens und warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Was? Ach, bitte entschuldigen Sie, Herr Jochens. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders. Sie sagten, der Junge, den ich hier abholen soll, hat keinerlei Verwandtschaft mehr? Nun, das ist natürlich tragisch. Aber ich denke, dass er sich in unserem Heim schon bald wie zu Hause fühlen wird. Ich meine, immerhin ist unsere Einrichtung eher eine Art Internat, in dem wir den Jugendlichen die bestmögliche Ausbildung für eine gesicherte Zukunft bieten können.«
»Zweifelsfrei, das wissen wir. Daher fiel unsere Wahl ja auch auf Ihre Einrichtung und nicht auf das örtliche Jugendheim. Zumal dem Jungen ein beträchtliches Vermögen zusteht, sowie er einundzwanzig ist. Zum Glück haben seine Eltern gut für ihn vorgesorgt und er steht nicht mittellos da. Dessen ungeachtet, hat ihn der Verlust seiner Mutter hart getroffen. Es wird sicherlich einige Zeit dauern, bis er darüber hinwegkommt. Seit er ihre Leiche identifizieren musste, hat er kein einziges Wort gesprochen. Mit Niemandem! Vielleicht haben Sie ja mehr Glück, als wir«, meinte Eduard.
»Ich werde mein Bestes geben«, lächelte Juliana. »Wenn Sie jetzt so freundlich wären, und mich zu ihm bringen könnten?«
»Nun«, räusperte sich Eduard Jochens, »Sie haben ihn schon gesehen. Er sitzt da draußen.« Mit einer Kopfbewegung wies er in den Vorraum, in dem Juliana zuvor gesessen hatte.
Sprachlos vor Erstaunen starrte sie in die angezeigte Richtung. Als sie schließlich ihre Stimme wiederfand, verbarg diese nur schwer ihre Ungläubigkeit. »Sie … Sie meinen, der da? Aber, das ist … das ist doch nicht möglich. Ich meine, der ist doch keine fünfzehn mehr?«, brach es aus ihr heraus.
»Glauben Sie mir Frau Bertoni, wir waren anfangs genauso erstaunt wie Sie. Tja, er ist wohl für sein Alter etwas frühreif … will sagen, weit entwickelt. Nichtsdestotrotz, ist das da draußen zweifelsfrei Galimar Delmarco«, mischte sich Patrick Scheller in das Gespräch, der nur zu gut die Verwunderung der Frau nachvollziehen konnte. Immerhin hatte er vor nicht allzu langer Zeit ähnlich dumm aus der Wäsche geschaut.
***
»Hallo Galimar. Mein Name ist Juliana Bertoni. Ich möchte dir mein Beileid aussprechen und vor allem, würde ich dir gern helfen.« Ein Schauer überlief sie, als er den Blick hob und sie aus seinen faszinierenden Augen verzweifelt ansah.
»Danke, aber mir kann momentan niemand helfen.«
Seine angenehme Stimme war zwar kaum mehr als ein sanftes Flüstern, erweckte aber in Juliana die Illusion, jemand spiele liebliche Musik.
»Frau Bertoni ist hier, um dich mitzunehmen, Galimar. Sie … ähm, sie arbeitet mit dem Jugendamt zusammen und wird sich ab jetzt um dich kümmern.« Dies erklärte Eduard Jochens in einer derart freundlichen Tonlage, in der man ihn auf dem Revier noch nie zuvor sprechen hörte.
Den anwesenden Polizisten, ebenso wie Juliana, gelang es kaum, den Blick von Galimar zu lassen. Wohingegen der irritiert von einem zum anderen blickte. Er öffnete den Mund, so als wollte er etwas sagen, ließ es dann jedoch bleiben und erhob sich. Als er so vor Juliana stand, überragte er sie um fast eine Kopflänge. Sie starrte hingerissen zu ihm auf und erneut begegneten sich ihre Blicke.
»Gehen wir?«, fragte Galimar. Es schien eher eine Aufforderung zu sein, so dass Juliana lediglich nicken konnte.
***
Die Ankunft Galimars löste im Kinder- und Jugendheim Falkenau einigen Wirbel aus.
Schon als sie auf den gepflegten Vorhof vorfuhren und ausstiegen, drückten sich etliche die Nasen an den Fensterscheiben des Hauses platt, um einen Blick auf den Neuankömmling zu werfen. Viele, insbesondere natürlich Mädchen, waren allein von Galimars Aussehen angetan. Insbesondere natürlich die Mädchen. Allerdings trafen ihn auch misstrauische Blicke.
Er hingegen schien die fremde Umgebung gar nicht wahrzunehmen. Er trottete neben Juliana her, die ihn kurz herumführte und anschließend zu seinem zukünftigen Zimmer brachte. Dort angekommen, ließ er sich aufs Bett fallen, verschränkte die Arme hinterm Kopf, und starrte die Decke an.
»Nun … ähm, ich würde vorschlagen, ich lass dich erst einmal allein, damit du dich eingewöhnen kannst. Zum Abendessen lasse ich dich abholen. Dann lernst du die anderen kennen, und wenn du etwas brauchst, oder einfach nur reden möchtest … mein Zimmer ist unten im ersten Stock. Nummer 12. Du kannst jederzeit kommen.« Sie stand unschlüssig da, doch als von ihm keinerlei Reaktion kam, schloss sie leise die Tür.
Kaum, dass Juliana verschwunden war, vergrub Galimar das Gesicht im Kissen und weinte all seinen Schmerz heraus.
»Oh, entschuldige, soll ich lieber später wiederkommen?« Eine beschämte Jungenstimme ließ Galimar hochfahren. In der Tür stand ein blasser, schmaler Typ mit wirrem flachsblonden Haar, der Galimar erschreckt anstarrte.
»Wer bist du?«, fragte Galimar und schniefte.
»Ich bin Sonny Meloy, dein Zimmergenosse, und du musst Galimar sein, stimmt`s? Spricht man mit D, nicht wahr? Also Djalimar. Hab ich zumindest Juliana sagen hören, als sie mich darüber in Kenntnis setzte, dass ich jetzt Gesellschaft habe. Übrigens ein echt seltsamer Name. Aus welcher Sprache stammt der denn, oder ist das dein Spitzname? Ich meine, Sonny heiße ich ja auch nicht richtig. Aber hier hat jeder einen Nickname. Weißt du, eigentlich heiße ich Stuart. Ist nicht grad prall, nicht wahr? Aber sorry, ich rede und rede … aber das ist echt mein Problem. Ich weiß nie, wann ich aufhören muss.« Er grinste, nachdem er diesen Wortschwall über Galimar ergossen hatte, während der ihn lediglich verwundert ansah.
Was für eine durchgeknallte Type.
Auch das Outfit passte zu der Quasselstrippe. Sonny trug coole, viel zu weite Klamotten im Hipp-Hopp Style. Dazu eine umgedrehte Baseballkappe auf dem kurzen Blondhaar, dessen Pony in alle Himmelsrichtungen abstand und besprühte Boots, die mit neonfarbenen Schnürsenkeln gebunden waren. Er schien freundlich und offen zu sein. Galimar lächelte deshalb zurück.
»Ist schon okay. Ich habe da kein Problem mit … und nein, Galimar ist kein Spitzname. Ich heiße wirklich so. Den Namen habe ich von meinem Vater bekommen. Aber ich weiß nicht, woher der stammt. Ich habe mir ehrlich gesagt noch nie viele Gedanken darüber gemacht«, antwortete er.
Sonny nickte grinsend. Er musterte seinen neuen Zimmergenossen mit der Ungezwungenheit eines Kleinkindes. Juliana, wie alle Frau Bertoni nennen durften, hatte ihn bereits vorgewarnt, dass Galimar gerade erst seine Mutter verloren habe und er ihn nicht gleich mit Fragen bestürmen solle. Aber das der Knabe derart geil aussah, hatte sie verschwiegen. Sonny bemerkte, wie ihm das Herz beim Anblick seines Gegenübers entschieden schneller schlug.
Der sechzehnjährige Teenager versuchte, vor den anderen Heimkindern, immer den selbstbewussten Sonnyboy zu mimen, mit dem man jede Menge Spaß und Aktion haben konnte. Daher auch sein Spitzname. In Wirklichkeit war Sonny eher der schüchterne Typ, der sich nicht so recht an jemand anderen herantraute. Zumindest was körperliche Beziehungen anging. Zudem hatte er festgestellt, dass sein sexuelles Interesse eher in Richtung Männer ging. Dies, von ihm streng gehütete, Geheimnis durften natürlich die anderen niemals erfahren. Bi-Sexualität wurde zwar bei den Heimkindern als cool bewertet, Schwule hingegen galten als Schwächlinge, denen man am besten gleich die Zähne einschlug, bevor sie auf dumme Gedanken kamen.
Wäre Sonny ein Mädchen gewesen, hätte niemand etwas dagegen gesagt, wenn er gleichgeschlechtliche Kontakte suchte, aber Jungen … nein danke.
Bisher hatte Sonny damit keinerlei Probleme gehabt. Er hatte, wie alle anderen männlichen Teenager, kleinere Liebeleien mit diversen Mädchen und die waren durchaus angenehmer Natur. Wenn auch Sonny sich bei den intimen Fummeleien seiner Gespielinnen vorgestellt hatte, es wäre ein Typ, der da gerade an ihm herumfingerte. Das hatte ihn richtig auf Touren gebracht und ihn darüber hinweggetröstet, dass seine Vorlieben vorläufig noch warten mussten. Nun aber saß vor ihm dieser fleischgewordene Traum, all seiner feuchten Sexfantasien, und ausgerechnet mit dem sollte er sich in Zukunft ein Zimmer teilen. Sonny wusste noch nicht so recht, ob ihn das nun zu Freudensprüngen, oder eher zum Fluchen verleiten sollte.
Nun, vorerst sollte er sich diese abwegigen Gedanken eh lieber aus dem Kopf schlagen, entschied Sonny für sich. Immerhin hatte sein Zimmergenosse im Moment ganz andere Probleme und bei denen würde Sonny ihm beistehen. Koste es, was es wolle. Er wollte für Galimar der beste Freund werden, den der sich wünschen konnte. So wahr er Sonny hieß. Alles andere würde sich ganz von alleine ergeben … oder eben nicht.
***
Zunächst hielten auch die anderen Heimbewohner den nötigen Abstand zum Neuankömmling. Sie saßen derzeit alle zu Tisch im großen Speisesaal des Internats und tuschelten, oder glotzten einfach nur drauflos, kaum das Galimar den Saal, in Begleitung von Sonny, betrat.
Galimar spürte deutlich, wie er durchleuchtet wurde, aber das kratzte ihn herzlich wenig. Er war noch viel zu sehr in Trauer, um den neugierigen Blicken anderer Beachtung zu schenken. Daher ignorierte er die geschenkte Aufmerksamkeit rigoros und stocherte appetitlos im Essen herum.
Juliana hatte eigentlich vorgehabt, ihn vorzustellen, jetzt wo die meisten ihrer Zöglinge anwesend waren. Aber sie schwieg, angesichts von seinem Desinteresse, und verschob ihr Vorhaben auf den kommenden Tag.
Es blieb allerdings bei diesem Vorsatz. Deshalb konnten die anderen Kids nur spekulieren, wer der neue Typ war, dessen Namen sie bisher lediglich herausbekommen hatten und der sie alle mit seinem ungewöhnlichen Aussehen faszinierte.
Wohl war da der eine oder andere, der wirklich Interesse daran hatte, den Neuen genauer unter die Lupe zu nehmen. Andererseits gab es natürlich auch diejenigen, die ihn mit argwöhnischem Blick verfolgten und sich keinen Reim darauf machen konnten, warum er so merkwürdige Gefühle in ihnen auslöste, sofern sie sich ihm näherten.
Viele erkannten nicht, dass es sich hierbei um Beschützerinstinkte handelte, da solcherlei Empfindungen den meisten Heimbewohnern gänzlich fremd waren. Mal abgesehen von den Privilegierteren, zu denen auch Galimar selbst hinzuzählte. Kinder aus gut-situierten Häusern, die entweder ebenfalls Waisen waren, zu rebellisch, als das die Eltern mit ihnen fertig wurden oder einfach nur von ihren berufstätigen Eltern aus Zeitmangel hierher abgeschoben worden waren. Diese Gruppe Jugendlicher zog sich jedoch zum Speisen in einen gesonderten Raum neben dem großen Speisesaal zurück. Weil sie mit dem »Abschaum« der mittelständischen bis armen Kids nichts zu tun haben wollten.
Galimar war gleich zu Beginn seines Auftauchens das Angebot unterbreitet worden, es diesen Kids gleichzutun. Er lehnte jedoch dankend ab, ohne seine Beweggründe hierfür näher zu belegen. Auch dies wurde heiß bei seinen Leidensgenossen debattiert. Denn wer freiwillig eine Einladung der Privilegierten ablehnte, galt ohnehin als Sonderling.
Hier beim sogenannten Fußvolk des Internats galt indessen die Devise, jeder war sich selbst der Nächste. Was wohl schon daran lag, dass viele von ihnen zerrütteten Familien entstammten, wo sie auf sich allein gestellt verblieben, bis das Jugendamt eingriff. Sie waren daher einfach nur verwirrt und zogen es vor, Galimar vorerst fern zu bleiben.
Was die Jungs anbetraf, so suchte lediglich Sonny weiterhin seine Nähe. Was die anderen nicht weiter verwunderte, da die beiden schließlich Zimmergenossen waren. Ansonsten traute sich keiner der anderen vorerst an ihn heran. Es sei denn, es handelte sich bei ihnen um Vertreter des weiblichen Geschlechts.
Galimar war, was niemanden verwunderte, ziemlich schnell zur Zielscheibe der holden Weiblichkeit geworden. Verkörperte er doch genau die Art von Traumprinz, der sich in feuchten Mädchenträumen tummelte und deren Herzen zum Schmelzen brachte.
Aber egal wie geschickt sich die Ladys ihm auch nähern wollten, er blieb unverbindlich und unnahbar. Was ihn natürlich nur noch interessanter für die Girls machte.
So verliefen Galimars erste Wochen im Internat ohne weitere nennenswerte Zwischenfälle, bis zu einem Nachmittag im Folgemonat Juli. …
»Ey Sonnyboy, lass mal `n bisschen Cash rüberwachsen, aber dalli!« Philipp, ein grobschlächtiger Typ, der zu den Älteren der Nicht-Privilegierten gehörte, baute sich vor Sonny auf, als dieser, zusammen mit Galimar, die hauseigene Bibliothek des Internats verließ.
»Hör mal Philipp, ich habe dir doch erst vorgestern was gegeben. Ich habe nichts mehr«, wehrte Sonny unterwürfig ab. Wobei er näher an seinen Zimmergenossen heranrückte.
»Labere nicht so `n Zeugs Meloy. Wenn du nix hast, dann besorg halt was. Du möchtest doch schließlich, dass deine dreckigen Vorlieben weiterhin ein Geheimnis bleiben, oder?«, war dessen ungerührte Antwort. Währenddessen baute sich sein Hofstaat, bestehend aus vier weiteren Schlägertypen, um die beiden Jungen herum auf und drängte sie in Richtung einer Ecke, die nur schwer einsehbar war.
Philipps Blick fiel dabei auf Galimar und er grinste fies: »Kannst dir ja vielleicht `n bisschen Bares von deinem hübschen Freund hier leihen. Ist das eigentlich dein neuer Schwanzlecker?«
Die anderen lachten gehässig auf, während einer namens Günther Philipp leise ins Ohr raunte: »Ey Phil, ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass der Schönling Sonnys Schulden in Zukunft abarbeitet. Ich hab´ die kuhäugigen Blicke der anderen gesehen. Ich glaube, selbst die Betreuer sind auf den scharf. Mit dem könnte man richtig Kohle machen!«
Philipp grinste noch eine Spur breiter, als er Galimar von Kopf bis Fuß musterte: »Wie ist dein Name, Engelsgesicht? … Aber ne, lass mich raten. Bestimmt so `n indianischer Name, dessen Bedeutung zum Beispiel lautet »Wichs mir ins Gesicht« oder »Lutscht jeden Schwanz«, nicht wahr?«
»Galimar«, antwortete sein Gegenüber ruhig, die Beleidigungen ignorierend, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
»Wie? Geilomat?«, wieherte einer aus Philipps Trupp lachend los und erntete zustimmendes Gelächter bei seinen Kumpeln.
»Echt passend, Torben«, lobte Philipp. »Obwohl ich Geili noch besser finde. … Ey Geili, du hast wirklich `ne Visage, in die man reinspritzen will. Schluckst du auch immer schön brav? Obwohl ich bei euch beiden ja eher vermute, dass Sonnybaby derjenige ist, der den Arsch hinhält, nicht wahr?«, höhnte er und griff nach dem Tuch, mit dem Galimar sein Haar zusammenhielt. Schon floss die dichte Mähne in seidigem Glanz über dessen Schultern und Philipp kam nicht umhin, dass ihn ein neidischer Stich in der Magengegend traf.
»Obwohl mit deinen langen Loden ja eher du wie ein Mädchen aussiehst, Winnetou. Na, wahrscheinlich wechselt ihr euch ab«, brummte er daher verstimmt.
Galimar streckte die Hand aus: »Würdest du mir bitte mein Eigentum zurückgeben?«
Es war eigentlich keine Frage. Auch keine Bitte. Sondern glich einem Befehl. Wenn auch einer sanft gesprochenen Forderung, die ungeachtet dessen, keinerlei Widerspruch duldete.
Verblüfft starrte Philipp ihn an. Hatte der Kerl gar keinen Schiss vor ihm? Bisher war noch jeder vor ihm gekuscht. Hierbei ignorierte er das komische Gefühl, was ihn überkam, wenn er auch nur ansatzweise in Galimars Nähe kam.
Wahrscheinlich, weil der Kerl nicht gerade klein ist!, mutmaßte er seine Empfindung im Stillen.
Er riss sich daher zusammen und höhnte weiter: »Und wenn ich das nicht mache? Rennst du dann heulend zum nächsten Betreuer und schüttest ihm dein kleines Herz aus? Häh?« Dabei knüllte er das Tuch zu einem Ball zusammen und warf diesen einem seiner Kumpel zu. »Also, wenn du dein Schnuffeltuch wiederhaben willst, musst du es dir schon selbst holen, Geili. Obwohl, weißt du, mir ist das Toilettenpapier ausgegangen und ich denke, mit dem flauschigen Fetzen kann ich mir wunderbar den Arsch abwischen. Was meinst du? Kann ich doch, nicht wahr?«
Galimar trat einen Schritt näher und musterte Philipp nun ebenso intensiv wie der zuvor ihn, bevor er zuckersüß antwortete: »Weißt du Hohlbirne, ich kann absolut nicht ermessen, ob du wirklich irgendetwas kannst, außer hier das Alpha-Tier zu markieren. Aber eines weiß ich sehr genau: Du wirst mir jetzt zunächst einmal mein Tuch wiedergeben und danach verziehst du dich mit deinen Speichelleckern dahin, wo ihr hergekommen seid. Und solltet ihr Sonny in Zukunft nicht in Ruhe lassen, dann werdet ihr mich von einer Seite kennenlernen, die ihr einfach nicht kennenlernen möchtet!«
Zunächst starrte Philipp ihn perplex an. Dabei ignorierte er erneut die merkwürdige Wahrnehmung. Letztendlich gackerte er grölend los, wobei seine Kumpanen gleich mit einstiegen. Kurz darauf wischte er sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.
»Ey, du bist echt `ne coole Nummer Geili. Scheinst ja irgendwie geradezu Todessehnsucht zu verspüren? Ansonsten würdest du wohl eine derartige gequirlte Scheiße nicht von dir geben!«
Nach diesen Worten wurde er schlagartig erst und trat nun seinerseits drohend auf Galimar zu, bis sich ihre beiden Nasenspitzen fast berührten. Das sein Gegenüber dabei vor ihm keinen Millimeter zurückwich, imponierte ihm dann doch. Er kämpfte das widersprüchliche Gefühl herunter, dass ihn immer wieder überkam. Dieser unbegreifliche Wunsch, sein Gegenüber beschützen, anstatt erniedrigen zu wollen. Im Gegenteil, es machte ihn nur noch wütender, dass der andere diese Empfindungen in ihm auslöste.
Fuck, was soll das? Wie machst du das, du kleiner Wichser? … Egal, du wirst gleich auf schmerzhafte Art erkennen, mit wem du dich angelegt hast!, dachte er verstimmt.
Noch ehe Galimar wusste, wie ihm geschah, boxte Philipp ihm in den Magen, sodass er zusammensackte.
»Na wie schmeckt das Geili? Und wo du nun schon mal die richtige Körperhaltung eingenommen hast, was hältst du davon, mir einen zu blasen? Vielleicht vergesse ich dann ja dein rotzfreches Gelabere von gerade eben. Natürlich nur, wenn du deine Sache gut machst. Also, was … pffffff«
Schon drückte es ihm die Luft aus den Lungen.
Mit dem Kopf voran rammte sich Galimar in Philipps Unterleib und riss den kräftigen Jungen von den Beinen. Schon saß er auf ihm und drosch auf ihn ein.
Blut spritzte, als Philipps Unterlippe aufriss und geschockt sprangen seine Kumpels zur Seite. Ungläubig auf das Bild schielend, welches sich momentan vor ihren Augen abspielte.
Galimar hatte aufgehört damit den anderen zu schlagen, zwang jedoch mit geschicktem Griff die Arme von Philipp über dessen Kopf und nagelte ihn mit seinem Gewicht am Boden fest. Sein finsterer Blick, der die herrliche Augenfarbe in dunkle Lilatöne verfärbte, bohrte sich in den nun verängstigten Blick des Unterlegenen. Dem war schlagartig bewusst, dass er sich mit dem Falschen angelegt hatte.
Galimar ließ von Philipp ab, packte ihn am Kragen und zerrte ihn mit sich in die Höhe, als er aufstand. Er zog ihn dicht an sich heran und starrte ihm weiterhin mit unheilvollem Blick direkt ins entgeisterte, schmerzverzerrte Gesicht.
Hiernach zischte er so leise, dass lediglich Philipp ihn hörte: »Fick dich selbst, du Arschgesicht! Und jetzt zum letzten Mal. Her mit meinem Eigentum und Finger weg von Sonny, oder du kannst dir schon mal einen Termin beim Kieferchirurgen buchen. Den brauchst du nämlich, wenn ich mit dir fertig bin. Verstanden, Pimmelkopp, oder wie immer du heißt?«
Dann stieß er den Jungen von sich, ordnete seine Kleidung und funkelte denjenigen von Philipps Freunden an, der immer noch sein Tuch in den Händen hielt.
Mit einer fordernden Handbewegung blickte er diesen wortlos an, bis der Typ ihm zögernd den Stoffball entgegenhielt. Wobei er sichtlich auf Abstand ging, so als rechnete er damit, dass Galimar auch ihm eine reinhauen würde.
Dem stand jedoch keineswegs der Sinn nach weiteren Prügeleien. Er war wieder so ruhig wie zuvor, nachdem er sein Haar zusammengebunden hatte und sich kurz darauf an Sonny wandte: »Wollen wir los? Ich habe jetzt wirklich Hunger!«
Sonnys Mund stand sperrangelweit auf, während er wie in Trance nickte. Und er war bei Weitem nicht der Einzige, der die Auseinandersetzung zwischen Galimar und dem größten Raufbold des gesamten Internats sprachlos verfolgt hatte. Etliche Heimkinder standen inzwischen um sie herum. Ungläubig darüber, was sie soeben beobachten konnten. Bisher hatte es noch niemand gewagt, sich mit Philipp oder einem seiner Kumpels anzulegen. Ihre Hochachtung für den Neuen stieg daher mit jedem einzelnen Hieb, den dieser zuvor in das feiste Gesicht des verhassten Schlägers platziert hatte.
Der vollkommen verblüffte Sonny erwachte aus seiner Starre und beeilte sich, dem Freund zu folgen. Kaum das sie aus der Hörweite waren, wandte er sich bewundernd an Galimar: »Mensch Gali, das war ja absolut großartig. Ey, wie blöde diese Penner geglotzt haben. Mensch, dass du so abgehen kannst. Hut ab. Aber der Phil hat auch echt ein paar wirklich fiese Sachen zu dir gesagt!«
Galimar blickte ihn an: »Weißt du Sonny, mir ist es völlig egal, was solche Schwachmaten sagen oder denken. Aber keiner von denen besudelt etwas, was meine Mutter mir kurz vor ihrem Tod geschenkt hat!« Als er Sonnys verdutztes Gesicht sah, lächelte er und gab ihm einen gutmütigen Klaps auf die Schulter. »Und natürlich vergreift sich auch niemand ungestraft an meinen besten Kumpel, wenn ich es verhindern kann!«
Sonnys seliges Lächeln wollte daraufhin an diesem Tag nicht mehr dessen Gesicht verlassen und für den Blondschopf stand nun ein für alle Mal fest, dass Galimar sein uneingeschränkter Held war. …
***
Galimars Neue!
Deutschland: Köln 2006
»Hey, hast du mal Feuer?« Norbert, ein Kleinkrimineller, der sich mit gelegentlichem Diebstahl und Dealen über Wasser hielt, trat mutig an den hochgewachsenen Kerl heran, der rauchend im Schatten einer Hauswand lehnte.
»Nein!«
Allein das Wort reichte aus, um bei Norbert Gänsehaut zu erzeugen.
Der erstarrte, hatte sich aber schnell wieder im Griff. »Häh? … Du rauchst doch. Also wieso hast du dann kein Feuerzeug?«
»Hab ich. Aber du bekommst es nicht«, war die kühle Antwort.
»Ey, was bist du denn für `n Wichser? Denkst du, Nobbie klaut es dir?« Norberts Kumpel Jeremy, der hinzugetreten war, brach in wieherndes Gelächter aus, als hätte er den Witz des Jahrhunderts gerissen.
Der Fremde löste sich aus dem Schatten und trat einen Schritt näher. »Verpisst euch und belästigt jemand anderen!«
»Verpiss du dich doch. Das hier … das hier ist unser Revier«, stieß Jeremy feindselig hervor, während Norbert bereits den Rückzug antrat. Ihm wurde angesichts der Größe des Fremden immer unbehaglicher zumute. Zudem spürte er instinktiv die Gefahr, die von »Mister Unfreundlich« ausging und ihm riet, sich schnellstmöglich zu verziehen.
Jeremy indessen bekam in seinem Dope-umnebelten Verstand ohnehin nicht mehr viel mit. So, dass er gleichfalls einen Schritt auf den Riesen zumachte und es gar wagte, nach diesem zu greifen, um ihn rüde anzustoßen.
Ein fataler Fehler.
Im Bruchteil weniger Sekunden vernahm Norbert ein hässliches Knacken, als der Unbekannte den Arm seines Kumpels ergriff und mit nur einem einzigen Ruck brach.
Und noch während Jeremy anfing, wie irrsinnig zu plärren, nahm Norbert die Beine in die Hand und rannte. Wobei er wusste, warum auch immer, dass er gerade um sein Leben lief, wie ein neuerlicher Schrei Jeremys verriet, der nur kurz darauf schlagartig in einem Gurgeln endete.
Sie mal einer an. Interessant!, freute sich indessen eine weitere hochgewachsene Gestalt, die den tödlichen Zusammenstoß der drei Männer aus sicherer Entfernung beobachtet hatte.
Zutiefst befriedigt trat Luziveron die halb aufgerauchte Zigarette aus. Er war sich absolut sicher, endlich auf den letzten, noch fehlenden Mitstreiter gestoßen zu sein und konnte es daher kaum erwarten, seinen Leuten hiervon zu berichten. …
Deutschland – Regensburg – Ende August 2006
»Schalimer?« Zaghaft drang die Mädchenstimme durch die geschlossene Zimmertür.
Galimar seufzte lautlos. Ihm war klar, wer dort vorm Zimmer stand, denn es gab nur ein Mädchen an seiner Schule, dass es nicht auf die Reihe brachte, seinen Namen vernünftig auszusprechen.
Franziska Lorenz, das unansehnlichste weibliche Wesen, welches ihm je zuvor begegnet war. Weniger Feinfühligere bezeichneten sie gar als hässlich. Ein Girl mit mausbraunem Haar, unreiner Haut, Brille, Zahnspange und unmöglicher Figur. Kurzum, sie war über alle Beine, die einem das Leben in puncto Aussehen stellen konnte, gestürzt. Wobei sie ihren Teil dazu beitrug, da sie anscheinend von Körperpflege nicht viel hielt.
Sie nannte ihn immer »Schalmar« oder »Schalimer«, was sich anhörte wie »Schlimmer« und schien zudem eine Schwäche für ihn zu haben. Wobei, schlimmer, als von diesem Weibsstück verehrt zu werden, konnte es für einen Mann eigentlich kaum sein.
Sie hatte keine Freunde, was hingegen nicht an ihrem unappetitlichen Äußeren lag, wie Galimar zunächst vermutet hatte, als er das erste Mal auf sie traf. Sondern in erster Linie mochte sie niemand, weil sie eine Nervensäge und Intrigantin war. Fieser als jede Klatschspalte in einer Tageszeitung.
Wie immer sie es anstellte, ihr entging nichts. Wodurch sie zwar zu einer wertvollen Mitarbeiterin für die Schülerzeitung geworden war, jedoch auch dort nur widerwillig geduldet wurde.
Eigentlich meinte Franziska es nicht böse, wenn sie Gerüchte in Umlauf brachte oder Dinge ausplauderte, die für bestimmte Ohren nicht gedacht gewesen waren. Vielmehr erhoffte sie, wenn sie anderen solche Neuigkeiten überbrachte, würde sie von ihnen gemocht und akzeptiert werden. Sie erreichte allerdings genau das Gegenteil und war als bösartige Hexe und wandelnde Schmutzpresse verschrien.
Sie selbst ahnte nichts von ihrem üblen Ruf oder wollte zumindest nichts davon wissen.
Nach dem Unfalltod seiner Mutter Eleonora war Galimar auf eine andere Schule gekommen, welche mit dem Internat in Verbindung stand. Und da er an der alten Schule für die Schülerzeitung geschrieben hatte, bewarb er sich auch hier um einen Posten, den er umgehend bekam.
Carmen Kobalski, eine 21-jährige Referendarin, die als Chefredakteurin dort tätig war, hatte ohnehin ein Auge auf ihn geworfen, obwohl sie schlucken musste, als sie erfuhr, dass er erst fünfzehn war.
Franziska, die gleichfalls dort tätig war, verdrängte diese Information in den hintersten Winkel ihres Denkapparats, als Carmen ihn dem Team vorstellte. Er war genau so, wie sie sich ihren Mister Perfekt erträumte und vor allem war er nett. … Sogar zu ihr. Sie hing von da an wie eine Klette an ihm, sodass niemanden ihr verliebter Zustand verborgen blieb.
Hinter ihrem Rücken machten sich alle über Franziska lustig, dass die tatsächlich in dem Glauben zu sein schien, sich einen Jungen mit Galimars Aussehen angeln zu können. Um so schockierter war man, als die Neunzehnjährige steif und fest behauptete, dass sie mit ihm zusammen sei.
Galimar bekam von dem Gerücht zunächst nichts mit und wunderte sich lediglich, dass seine Mitschüler ihn so merkwürdig ansahen, wenn er in der Pause von Franziska belagert wurde. So, als zweifelten sie an seinem Geisteszustand. Er maß dem jedoch keine Bedeutung bei und so brodelte die Gerüchteküche munter weiter.
Sein Einstand in die Reihen der schreibenden Zunft war vor sechs Wochen gewesen. Jetzt befand er sich mit dem Großteil des Teams der Schülerzeitung auf einem von der Schule genehmigten Wochenendtrip in Regensburg. Dort wollten sie für einen Artikel recherchieren, der in der nächsten Ausgabe der Schulzeitung erscheinen sollte. Hierfür hatten sie sich über Nacht in einem günstigen Hotel einquartiert.
Franziska witterte daraufhin ihre Chance, Galimar näher zu kommen. So hoffte sie zumindest. Immerhin war er in letzter Zeit abweisender geworden, seit er erfahren hatte, welche Lügen Franziska über sie beide in Umlauf brachte. Jedoch schwieg er weiterhin. Er wollte sie nicht bloßstellen. Stattdessen hatte er sich vorgenommen, sie davon zu überzeugen, die Gerüchte eigenständig zu widerlegen. Dies würde ihr allerlei Peinlichkeiten ersparen.