'Und auch hier jene stets eingehaltene Distanz, die diesen Poeten so unverwechselbar macht. Dabei vollziehen sich doch lauter Anverwandlungen in diesen Gedichten, Annäherungen von oft fast mimikryhafter Zartheit an die Unverrückbarkeiten des Lebens: Jugendzeit, Liebe, aber auch an Alter, Krankheit, Tod, widergespiegelt in hochmusikalisch austarierten Versen.' (Gabriele Weingartner)
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Gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur Rheinland-Pfalz
Die Edition Schrittmacher wird herausgegeben von Marcel Diel, Sigfrid Gauch, Arne Houben, Thomas Krämer.
© 2006 eBook-Ausgabe 2011RHEIN-MOSEL-VERLAGZell/Mosel Brandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel Tel.: 06542-5151 Fax: 06542-61158 Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-89801-766-4 Umschlag: Arne Houben
Gerd Forster
Fliehende Felder
Gedichte
Edition Schrittmacher Band 7
RHEIN-MOSEL-VERLAG
Inhalt
Versiegelte Minuten
Kreisverkehr, unvollendetSechzig Jahre späterKratzgriffelVersiegelte MinutenSteinzeitenSo und soSpielt er nicht schön?ZeitsturzHotelterrasse. Klassentreffen
Unter dem berechenbaren Mond
InstrumentenwechselVerunsicherungKaserne leer. WochenendeWesterweiterungS-Bahn. RheinebeneDer SturmDas MädchenOpfer 1 und 2Die unten ganz obenFluss-SirenenEin TV-Nachrichtensprecher auf der Buchmesse
Supermarkt-Generationen
ZeitfensterMannschaftslückenEndspielMorgenspiegelIntercity/GroßraumwagenSupermarkt-GenerationenBrennstoff genügendZimmerzooWie denn nun?Träume und materielle AussichtenRequiem. MozartDer rote SprungNeugotischer KirchturmWundersame Verwandlung
Über den Brenner
LichtCosta de la LuzÜber den BrennerLe sacre du printempsBlickeRokokopalais, südlichIsola madre. TrioLockfeuerTouris am EndeAchenseenwesenWinterreise in SibirienEin Mädchen auf Bali
Mai-Gefechte
ApfelbaumliebeVenusDie UnübersehbarenMai-GefechteDie (der!) Nachtigall unter musikalischem AspektDie Blumen des GutenAprilfeldAm FlussHörspielDer alte FrühlingFitnessJägerWild-Wörter und mein Wild
Verwandte Symptome
Lenau und die ViolineVerwandte SymptomeQui tollisGenesung 1Genesung 2Im alten HafenDer leere StuhlNirgendwo hinDer Wind, das himmlische KindKurzfristige Verwirrung
Schlussbemerkungen
Versiegelte Minuten
Ausfahrt verschlafen, Ehrenrunde,
du bist nicht in Eile, von keinem bedrängt:
Reitschule, Karussell,
nicht so rauschhaft selig aber
wie einst, die verwischten Bäume,
die fliegenden Häuser, Entfernung und
Immerwiederkehr vertrauter Gestalten,
lachend, winkend, weiter im Kreis,
in der Mitte ein Hügel, Sandsteinfindlinge
noch mit der Biss-Spur des Baggers,
Blumenfelder, symmetrieversessen,
die bonbonbunt lackierte Orgel,
quietschend, stöhnend, »Die Liebe na-ham
kein Ende mehr«, weitere Runden, ungestört,
eine Ausfahrt schwingt in aufgerissene Äcker,
noch ohne Schild: Zielerfindungen,
ein leichter Schwindel, wohin
mit der Fliehkraft treiben dich deine Wünsche?
Rohbauten wachsen da und dort.
Noch einmal, einmal noch
eine entscheidende Richtungswahl.
Am Ende doch wieder
auf der gewohnten Bahn.
Die Bubenmerkmale fetter
und irgendwie verrutscht.
Beschwerden als Würde vorzuführen,
fast alle Männer, toilettenwärts z. B.,
darin schon geübt.
Am parallelen Nachbartisch
die Parallelklassefrauen mit ihren
gefrosteten Frisuren, ihren Sahnetortenblusen.
Irgendwo müsste es sein, rot heraus –
leuchten aus dem Trümmerschutt
durch Mutter- und Großmutterjahre:
Ein Tütchen. Mir
zugesteckt auf dem Pausenhof,
verklebte Himbeerbonbons, und weg-
gerannt das Mädchen, Zöpfe flogen.
Welche nur an dem geschmückten Tisch mit
zweierlei Kaffee und Einigkeitsgelächter?
Oder der Name – welcher? – schon
auf der Totenliste? Ich
möchte es wissen. Muss es nicht wissen.
Am Büfett Himbeertorte. Auch ein Stück?
Eine der Frauen. Und lächelt.
In angegrautem rotem Sandstein
das stocksteife Schulhaus, schon lange zu klein.
Scherenschnittkind auf Zebrastreifen
vor dem neuen, dahinter ein schlafender Bus.
Mutter als junge Lehrerin zu diesem Dorf
mit Koffer allein durch den Wald. Gegen die Angst
kennt sie den Förster und kaut ein Brot von daheim.
Auf der Treppe am Morgen das fröhliche Gestapfe
der Kinder, der fehlerlose Glanz ihrer Augen
über den kratzenden Griffeln.
Was aber in ihrem Zimmer (noch ohne
Telefon Radio Fernsehen) tut sie am Abend,
die Fräulein?
Mit Männerköpfen gefüllt und rötlichen Skathänden
das Wirtshausfenster aus dem Dunkel, zu hören nur
die Ketten des versorgten Viehs.
Kaum angerührt auf dem Tisch der Teller. Davor
die Hefte der Schüler und ein Heimwehbrief dorthin, wo
sie alle Namen der Kühe weiß im Stall.
In Wintermonaten früh zu Bett. Bald sinkt mit den Lidern
ihr Buch. Der Ofen erzählt noch eine Weile.
Nach Nüssen sich bücken: kindliches Findeglück,
kein Feldschütz mehr von weitem droht.
Dieser Baum, wie mühelos seine Krone das Maisfeld
und darüber den aufrührerischen Himmel beherrscht!
Die Maserung des Holzes wird vielleicht einmal
als Tischblatt lesbar sein, woran
Leute sitzen bei neuem Wein und Nüsse öffnen,
als brächen sie vergangene Zeiten auf.
Und über die dunkelnde Fläche kriechen, leicht