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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 368
Textanalyse und Interpretation zu
Friedrich Dürrenmatt
DIE PHYSIKER
Bernd Matzkowski
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker. Eine Komödie in zwei Akten. Neufassung 1980. Zürich: Diogenes, 1998 (detebe 23047; Werkausgabe in 37 Bänden, Bd. 7).
Über den Autor dieser Erläuterung: Bernd Matzkowski ist 1952 geboren. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Lehrer am Heisenberg Gymnasium Gladbeck. Fächer: Deutsch, Sozialwissenschaften, Politik, Literatur/Theater. Ausbildungskoordinator.
Hinweis: Die Rechtschreibung wurde der amtlichen Neuregelung angepasst. Zitate Dürrenmatts und Brechts müssen aufgrund von Einsprüchen in der alten Rechtschreibung beibehalten werden.
Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Die öffentliche Zugänglichmachung eines für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werkes ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.
4. Auflage 2015
ISBN 978-3-8044-6921-1
© 2000, 2010 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelbild: Aufführung Die Physiker in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, Berlin 2005, © ullstein bild – Lieberenz
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INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Friedrich Dürrenmatt: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Blockkonfrontation, Kriegsgefahr und atomare Bedrohung
Dürrenmatt und Brecht
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
Der Einzelne und die Verantwortung. Anmerkungen zu einigen Figuren Friedrich Dürrenmatts
Vom Essen und Trinken – Motivverbindungen
Vom Zufall – Motivverbindungen
3. Textanalyse und -interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
Werke im Kontext von Dürrenmatts Die Physiker
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
Zeit, Ort, Handlung
Der einleitende Nebentext
Zum inneren Aufbau des Dramas
Der Psalm Salomos – Möbius‘ „Programm“
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Möbius
Newton und Einstein
Mathilde von Zahnd
Inspektor Voß
Familie Rose
Schwester Monika
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
3.7 Interpretationsansätze
Möbius – der gute Mensch
Im Irrenhaus
Möbius‘ Scheitern
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
Der Aufbau des Dramas
Überlegungen zum Grotesken
Brechts Galilei und Die Physiker
Kritik an Dürrenmatts Drama
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 *
Aufgabe 3 **
Aufgabe 4 ***
Literatur
Zitierte Ausgabe
Weitere Primärliteratur
Sekundärliteratur (Auswahl)
Verfilmung
Damit sich jeder Leser in unserem Band rasch zurechtfindet und das für ihn Interessanteste gleich entdeckt, hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel beschreiben wir Friedrich Dürrenmatts Leben und stellen den zeitgeschichtlichen Hintergrund dar:
Friedrich Dürrenmatt lebte vom 5. Januar 1921 bis zum 14. Dezember 1990. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in Bern, Basel und Neuchâtel, wo er auch starb.
Sein Drama kommt in einer Zeit auf die Bühne, als die Welt in zwei Blöcke gespalten ist, viele Menschen Angst vor einem neuen Krieg haben und die Menschheit in der Lage ist, sich durch die Atombombe selbst auszulöschen.
Dürrenmatts Auffassung vom Theater entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit dem „epischen Theater“ Brechts; Dürrenmatt grenzt sich mit seinem Werk Die Physiker von Brecht ab.
Als Dürrenmatts Drama Die Physiker 1962 auf die Bühne kommt, ist er bereits ein bekannter und erfolgreicher Autor von Kriminalromanen und Theaterstücken. Mit seinem Drama Der Besuch der alten Dame (Uraufführung 1956) hat Dürrenmatt seinen bisher größten Theatererfolg feiern können. Wir gehen auf Verbindungen zwischen diesen beiden Dramen und anderen Werken Dürrenmatts ein.
Im 3. Kapitel bieten wir eine Textanalyse und -interpretation.
Die Physiker – Entstehung und Quellen:
Dürrenmatts Drama entsteht in unmittelbaren Zusammenhang mit Robert Jungks Sachbuch Heller als tausend Sonnen. Das Schicksal der Atomforscher (1956), das Dürrenmatt rezensierte und in dem es um die Atomphysik, den Weg zur Atombombe und die Forderung geht, die Atomforschung einzustellen. Als literarisches Referenzwerk kann außerdem Das Leben des Galilei (1939) von Bertolt Brecht gelten.
Inhalt:
Dürrenmatts Drama spielt in einem Irrenhaus, in das sich der Physiker Möbius zurückgezogen hat, um die Welt vor den Konsequenzen seiner Entdeckungen zu schützen, indem er diese als Werk eines Irren ausgibt und sie geheim hält. Zwei seiner Mitinsassen entpuppen sich als Geheimagenten verfeindeter Mächte und als ebenso wenig irre wie Möbius. Möbius gelingt es, die beiden Agenten davon zu überzeugen, mit ihm im Irrenhaus zu bleiben, um die Welt zu retten. Sein Plan geht nicht auf, weil die Leiterin des Sanatoriums sich als wahnsinnig herausstellt und bereits damit begonnen hat, seine Aufzeichnungen und Entdeckungen auszuwerten, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Die „schlimmstmögliche Wendung“ (Dürrenmatt) ist damit eingetreten.
Chronologie und Schauplätze:
Das Drama wahrt die Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Es spielt im Salon des Sanatoriums, beginnt am Nachmittag und endet am Abend desselben Tages. Die beiden Akte sind in etwa gleich lang, der 1. Akt führt alle Hauptfiguren ein, am Ende des 2. Aktes steht die „Katastrophe“. Ein wesentliches Gestaltungsmittel des Aufbaus sind Parallelen und Kontraste sowie Elemente des Grotesken und des Paradoxen. Das Drama beginnt als Kriminalspiel und entwickelt sich zum Problemdrama fort. Im 1. Akt stellt der „Psalm Salomos“ einen Höhepunkt dar, im 2. Akt das Gespräch der Physiker über ihre Verantwortung, das zum gemeinsamen Entschluss führt, im Sanatorium zu bleiben.
Personen:
Die Hauptpersonen sind
Möbius:
Genialer Physiker, der den Irren vortäuscht.
Er will die Welt retten, indem er seine Aufzeichnungen vernichtet und sich im Sanatorium isoliert.
Sein Plan scheitert, weil seine Aufzeichnungen Mathilde von Zahnd in die Hände fallen.
Er versagt persönlich, als er Schwester Monika ermordet, die seinen Plan gefährdet.
Newton und Einstein:
Beide sind Physiker und Geheimagenten, die aber unterschiedlichen Systemen dienen.
Um ihre Pläne umzusetzen, werden beide zu Mördern.
Beide lassen sich letztlich von Möbius davon überzeugen, ihre Pläne nicht zu verfolgen, um gemeinsam die Welt zu retten.
Mathilde von Zahnd:
Die Leiterin des Sanatoriums ist Spross einer bekannten Familie.
Sie gibt sich zunächst (1. Akt) als fürsorgliche Ärztin aus, erweist sich aber im 2. Akt als machthungrig und wahnsinnig.
Sie strebt die Weltherrschaft und die Eroberung des Weltraums an.
Wir stellen diese Hauptpersonen ausführlich vor und geben auch Erläuterungen zu anderen Personen.
Stil und Sprache Dürrenmatts:
In Dürrenmatts Drama ist Sprache ein Mittel der Täuschung; manche Aussagen im 1. Akt erweisen sich im 2. Akt (vom Ende her gesehen) als doppeldeutig. Dürrenmatt spielt in seinem Drama mit physikalisch-technischen Begriffen, die teilweise einen naturwissenschaftlichen Inhalt nur vortäuschen. Die Sprache der Figuren ist u. a. durch Ironie, Paradoxien, groteske Wendungen, Stilbrüche und Wortspiele gekennzeichnet. Insgesamt ist die Sprache (von einigen Ausnahmen abgesehen) eher einfach und schnörkellos.
Verschiedene Interpretationsansätze bieten sich an:
Auf folgende Deutungsansätze gehen wir näher ein:
Die Rolle von Möbius als „guter Mensch“,
die Bedeutung des Handlungsortes Irrenhaus,
das Scheitern von Möbius im Kontext der Form der Komödie.
Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) © Cinetext/Barbara Koeppe
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1921
Konolfingen
(Kanton Bern)
Dürrenmatt wird am 5. Januar als einziger Sohn des protestantischen Pfarrers Reinhold Dürrenmatt und seiner Ehefrau Hulda (geb. Zimmermann) geboren.
1935
Bern
Die Familie zieht nach Bern um; Dürrenmatt besucht zunächst das „Freie Gymnasium“ und später das „Humboldtianum“.
14
1941
Bern
Maturität (schwz. Hochschulreife);
Dürrenmatt nimmt das Studium der Philosophie und der Literatur- und Naturwissenschaften auf (Zürich, Bern).
20
1943
Erste schriftstellerische Versuche. Es entsteht u. a. das Theaterstück Komödie, das aber weder im Druck noch auf der Bühne erscheint.
22
1946
Basel
Heirat mit Lotti Geißler
Dürrenmatt zieht nach Basel.
25
1947
Das Stück Es steht geschrieben wird uraufgeführt.
26
1948
Ligerz
Dürrenmatt lebt in Ligerz am Bielersee.
Das Stück Der Blinde wird uraufgeführt.
27
1949
Das Stück Romulus der Große wird uraufgeführt.
28
1950/52
Der Kriminalroman Der Richter und sein Henker erscheint.
29/31
1952
Neuchâtel
Das Stück Die Ehe des Herrn Mississippi wird uraufgeführt.
Das Theaterstück wird Dürrenmatts erster großer Bühnenerfolg. Dürrenmatt erwirbt ein Haus in Neuchâtel und lebt dort fortan mit seiner Frau sowie den Kindern Peter, Barbara und Ruth.
31
1953
Das Stück Ein Engel kommt nach Babylon wird uraufgeführt.
Der Kriminalroman Der Verdacht erscheint.
32
1954
Bern
Literaturpreis der Stadt Bern
33
1955
Die Prosakomödie Grieche sucht Griechin erscheint.
34
1956
Das Stück Der Besuch der alten Dame wird uraufgeführt.
Die Erzählung/Das Hörspiel Die Panne erscheint.
35
1957
Hörspielpreis der Kriegsblinden
36
1958
Der Roman Das Versprechen erscheint.
Prix Italia
37
1959
Das Stück Frank der Fünfte wird uraufgeführt.
38
1962
Das Stück Die Physiker wird uraufgeführt.
41
1963
Das Stück Herkules und der Stall des Augias wird uraufgeführt.
42
1966
Das Stück Der Meteor wird uraufgeführt.
45
1967
Das Stück Die Wiedertäufer (eine Neubearbeitung von Es steht geschrieben) wird uraufgeführt.
46
1970
Das Stück Portrait eines Planeten wird uraufgeführt.
49
1973
Das Stück Der Mitmacher wird uraufgeführt.
52
1977
Nizza / Jerusalem
Buber-Rosenzweig-Medaille
Ehrendoktor der Universität Nizza und der Hebräischen Universität Jerusalem
56
Beerscheba
Ehrenmitglied der Ben-Gurion-Universität in Beerscheba
1981
Ehrendoktor der Universität Neuchâtel
60
1983
Neuchâtel
Tod seiner Frau Lotti
Das Stück Achterloo wird uraufgeführt.
62
1984
Heirat mit der Schauspielerin Charlotte Kerr
Österreichischer Staatspreis für Literatur
63
1985
Der Roman Justiz erscheint.
64
1986
Die Novelle Der Auftrag erscheint.
65
1990
Neuchâtel
Tod am 14. 12. (Herzinfarkt)
69
ZUSAMMENFASSUNG
Der zeitgeschichtliche Hintergrund ist geprägt durch:
eine wachsende Konfrontation zwischen dem „Ostblock“ und dem „Westblock“ (Kalter Krieg),
die Angst der Menschen vor einer atomaren Auseinandersetzung.
Dürrenmatts Stück Die Physiker ist auch zu sehen vor dem Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit der Theatertheorie und Geschichtsauffassung Bertolt Brechts und dessen Drama Leben des Galilei.
Brecht: Das Theater kann die Welt als veränderbar zeigen.
Dürrenmatt: Kein Glaube an Veränderbarkeit; der chaotischen Welt kommt nur die Komödie bei.
Blockkonfrontation, Kriegsgefahr und atomare Bedrohung
Als Dürrenmatts Drama Die Physiker 1962 erstmalig auf die Bühne kam, sah das Gesicht der Welt anders aus als heute. Mitten in Europa standen sich zwei hochgerüstete militärische und politische Blöcke, die NATO und der Warschauer Pakt, feindlich gegenüber. Sinnfälliger Ausdruck dieser Blockkonfrontation war die nur ein Jahr zuvor (1961) errichtete Mauer, die die Spaltung Deutschlands und Europas auf ewig zu zementieren schien und an der sich die ehemaligen Verbündeten des II. Weltkrieges nun als Gegner im „Kalten Krieg“ gegenseitig bedrohten. Auch die „Korea-Krise“ (1950–1953) hatte den Menschen vor Augen gehalten, wie instabil die politische Situation durch die Konkurrenz der beiden Supermächte geworden war.
Die Rüstung der beiden Blöcke und ihrer führenden Mächte, der USA und der Sowjetunion, hatte mit ihren atomaren Arsenalen die Möglichkeit eröffnet, in einem eskalierenden Konflikt nicht nur die an einem Krieg beteiligten Parteien zu vernichten, sondern die gesamte Menschheit auszulöschen und die Grundlagen allen Lebens zu zerstören. Dass Dürrenmatt sein Stück in einem Irrenhaus spielen ließ, musste vielen Zeitgenossen deshalb als durchaus angemessen erscheinen, weil es das Lebensgefühl der Menschen traf: Die Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik hielt einerseits Lösungsperspektiven für viele Menschheitsprobleme bereit, schien aber andererseits – vor allem in ihrer militärischen Dimension – die Menschheit an den Rand des Abgrundes gebracht zu haben.
In einem guten Jahrzehnt, der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts, sind aber Veränderungen eingetreten, die wohl kaum jemand für möglich gehalten hat. Das Imperium der Sowjetunion ist zerfallen, der Warschauer Pakt ist aufgelöst, die Mauer ist gefallen, ehemalige Gegner, wie einige Staaten des damaligen Ostblocks, sind heute EU-Mitglieder. Nukleare Drohgebärden werden in Zentraleuropa als Teil einer Vergangenheit aufgefasst, die in der Gegenwart als kaum wiederholbar erscheint.
Betrachtet man Dürrenmatts Die Physiker heute, muss man die historische Dimension der Entstehungszeit durchaus berücksichtigen, ohne das Stück jedoch lediglich als Ausdruck einer krisenhaften Weltsituation zu verstehen. Dürrenmatt wirft eine grundsätzliche Fragestellung auf, nämlich die, ob alles, was machbar ist, auch wünschenswert und vor allem verantwortbar ist. Er stellt somit die Frage, ob wissenschaftlicher Fortschritt nicht auch ein Fort-Schreiten von ethisch vertretbaren Lebensbedingungen bedeuten kann. Schriebe er das Stück heute, stünden im Mittelpunkt vielleicht keine Physiker, sondern Bio- bzw. Gentechniker, Ingenieure der Informationstechnologien oder Mediziner aus dem Bereich der Humanforschung.
Dürrenmatt und Brecht
Will man sich dem Theater Friedrich Dürrenmatts nähern, so muss nahezu zwangsläufig der Name Bertolt Brecht fallen. Dies gilt nicht nur im Falle des Stücks Die Physiker, das als Zurücknahme des brechtschen Galilei gelten kann, sondern für Dürrenmatts Auffassung vom Theater überhaupt.[2]
Unter direktem Bezug auf Dürrenmatt, dessen Namen Bertolt Brecht bereits im ersten Satz seines Textes „Kann die heutige Welt durch Theater wiedergegeben werden?“, nennt, hatte Brecht 1955 in Darmstadt tagenden Dramaturgen noch einmal seinen Standpunkt zur Frage der Erkennbarkeit und Veränderbarkeit der Welt dargelegt und die Rolle des Theaters in diesem Zusammenhang aufgezeigt:
„Mit Interesse höre ich, daß Friedrich Dürrenmatt in einem Gespräch über das Theater die Frage gestellt hat, ob die heutige Welt durch Theater überhaupt noch wiedergegeben werden kann. (...) In einem Zeitalter, dessen Wissenschaft die Natur derart zu verändern weiß, daß die Welt schon nahezu bewohnbar erscheint, kann der Mensch dem Menschen nicht mehr lange als Opfer beschrieben werden, als Objekt einer unbekannten, aber fixierten Umwelt. Vom Standpunkt eines Spielballs aus sind die Bewegungsgesetze kaum konzipierbar. (...) Es wird Sie nicht verwundern, von mir zu hören, daß die Frage der Beschreibbarkeit der Welt eine gesellschaftliche Frage ist. (...) Und Sie werden mir vielleicht darin zustimmen, daß die heutige Welt eine Änderung braucht. Für diesen kleinen Aufsatz, den ich als einen freundschaftlichen Beitrag zu Ihrer Diskussion zu betrachten bitte, genügt es vielleicht, wenn ich jedenfalls meine Meinung berichte, daß die heutige Welt auch auf dem Theater wiedergegeben werden kann, aber nur wenn sie als veränderbar aufgefaßt wird.“[3]
Der Marxist Brecht ging davon aus, dass es in der Gesellschaft – wie auch in der Natur – Bewegungsgesetze gibt und dass diese Bewegungsgesetze der Gesellschaft (bestimmt durch die Entwicklung der Produktionsverhältnisse und Produktivkräfte und der auf ihrer Basis sich entwickelnden Klassenantagonismen) nicht nur erkennbar sind, sondern im Theater beschrieben werden können. Brechts Auffassung ist dabei von einer optimistischen Geschichtsauffassung geprägt, die eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht nur für wünschenswert, sondern auch für möglich hält. Das Theater könne, so Brechts Ansatz, die Bewegungsgesetze der Gesellschaft erhellen, die Gesellschaft als eine veränderbare zeigen und dadurch zu ihrer Veränderung beitragen.
Ganz anders Dürrenmatt. Auch er sieht, wie Brecht, die Ungerechtigkeiten dieser Welt, doch ist seine Position weder fortschrittsoptimistisch, noch daran interessiert, Möglichkeiten der Veränderung auf dem Theater anzubieten:
„Ich lehne es ab, das Allgemeine in einer Doktrin zu finden, ich nehme es als Chaos hin. Die Welt (die Bühne somit, die diese Welt bedeutet) steht für mich als ein Ungeheures da, als ein Rätsel an Unheil, das hingenommen werden muß, vor dem es jedoch kein Kapitulieren geben darf. Die Welt ist größer denn der Mensch, zwangsläufig nimmt sie bedrohliche Züge an, die von einem Punkt außerhalb nicht bedrohlich wären, doch habe ich kein Recht und keine Fähigkeit, mich außerhalb zu stellen. Trost in der Dichtung ist oft nur allzu billig, ehrlicher ist es wohl, den menschlichen Blickwinkel beizubehalten.“[4]
Den „Bewegungsgesetzen“ bei Brecht steht hier das „Chaos“ gegenüber, der Veränderbarkeit der Welt ein „Rätsel an Unheil“, das „hingenommen werden muss“, wenngleich auch nicht vor ihm zu kapitulieren ist. Eine Doktrin (bei Brecht seine marxistische Geschichtsauffassung), von der aus die Welt beschreibbar und erklärbar wäre, lehnt Dürrenmatt kategorisch ab.
Noch schärfer konturiert Dürrenmatt seine Gegenposition zu Brecht in seiner Mannheimer Rede aus Anlass der Verleihung des Schiller-Preises (1959), in der er sich mit Schiller, aber eben auch mit dem Theater Brechts, auseinandersetzt: