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Sind Sie neugierig, warum der Schauspieler Rolf Hoppe sein Hoftheater ausgerechnet am Rande Dresdens gründete? Wollen Sie wissen, wieso man bei den Auftritten der Band »medlz« auf dem Konzertplatz stets einen Schirm dabei haben sollte? Möchten Sie dem Kontaktjongleur Kelvin Kalvus beim Trainieren auf den Elbwiesen über die Schulter schauen? Dieses Buch begleitet Dresdner zu ihren persönlichen Orten und erzählt ihre Geschichten. Ein außergewöhnliches Stadtporträt, das einlädt, die Hauptstadt Sachsens neu zu entdecken!
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Stadtgespräche aus
Dresden
Ute Nitzsche/Frank Goldammer
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat/Redaktion: Ricarda Dück
Satz: Julia Franze
Umschlaggestaltung: Alexander Somogyi
Bildbearbeitung: Alexander Somogyi
E-Book/Kartendesign: Mirjam Hecht
ISBN 978-3-8392-4702-0
Jonas Friedrich Leonhardi hat seinen Beruf früh für sich entdeckt. Schauspieler wollte er werden, das stand fest, spätestens seit er in der 8. Klasse in der Jugendtheaterwerkstatt am »Societaetstheater« seine erste Bühnenluft schnupperte. In Oschatz 1990 geboren und die ersten Jahre aufgewachsen, inmitten der ländlichen Idylle, hatten ihm seine Eltern den Gefallen getan und waren 2000 nach Radebeul bei Dresden gezogen. »Also schon Stadt, aber nicht so dolle«, sagt er rückblickend. Man kommt nicht umhin, den jungen Mann nach wenigen Sekunden einfach sympathisch zu finden. Locker, offen und bodenständig, bringt er zitierfähige Sätze hervor, wir werden darauf zurückkommen …
Vorbilder hat er nicht, weder in der Theater- noch in der Filmlandschaft. Sein eigenes Ding möchte er machen, so wie bisher. Gleich nach dem Abitur ging Leonhardi zwei Jahre lang auf die Schauspielschule nach Leipzig, die letzten beiden Studienjahre verbrachte er im »Schauspielstudio« am Staatsschauspiel Dresden. Er hätte auch woanders hingehen können, für die Ausbildung nach Frankfurt am Main oder für ein Erstengagement nach Bonn, bemerkt er zögernd. Und er fragt sich manchmal, ob er damals nicht zu bequem war und ob nicht manches zu glatt ging, und man möchte ihm sagen: »Nein, hast alles richtig gemacht.« Da er sich als Mitglied des »Schauspielstudios« bereits während des Studiums mit verschiedenen Auftritten am Staatsschauspiel Dresden profilieren konnte, nahm man ihn gerne auf, als er das Diplom in der Tasche hatte. Nun genießt er ein Festgehalt, eine weltweite Seltenheit in der Branche. Kaum ein anderes Land leistet sich festangestellte Schauspieler und wenige Nationen können sich an einer derart vielfältigen Theaterlandschaft erfreuen wie wir.
Über viel Freiheit bei der Wahl seiner Rollen verfügt der junge Sachse allerdings nicht, das geht auch nicht wirklich, räumt er selbst ein. Denn ein derart großes Ensemble wie in Dresden mit so vielen Stücken pro Saison muss gut organisiert sein. Leonhardis Repertoire umfasst zurzeit sieben, acht Rollen, wobei er bei manchen lediglich zwölf Zeilen zu sagen hat und bei anderen wiederum den Hauptpart übernimmt. Eine seiner Hauptrollen ist die des Klaus in Erich Kästners Stück »Klaus im Schrank«, welches mit ihm im November 2013 uraufgeführt wurde und von Kindern wie Erwachsenen gleichermaßen gerne gesehen wird. Wobei die Kleinen ehrlichere, unmittelbare Zuschauer sind, die lachen und schreien und im Allgemeinen mit all ihren Gefühlen bei der Sache sind. Die Frage, ob es Parallelen zwischen den Dresdnern als solchen und dem Publikum gebe, beantwortet der Schauspieler sogleich mit einem Nicken. Dresden sei, um es vorsichtig auszudrücken, nicht immer großstädtisch, meint Leonhardi, ein wenig provinziell sei es in manchen Dingen, beinahe wie ein großes Dorf. Und gleichermaßen begegneten die Theaterbesucher neueren Stücken zuerst mit einer gewissen Skepsis, verschränkten die Arme vor der Brust, als dächten sie: »Nu, mach ma! Isch seh mir das erscht mal an!« Meist aber entpuppe es sich doch als offen und tolerant.
»Klaus im Schrank«: Jonas Friedrich Leonhardi und seine Kollegin Nina Gummich
Seinen bisherigen Höhepunkt erlebte der junge Mime 2013, nachdem er bei einem großen Casting vorgesprochen hatte, ziemlich sicher sogar ein paar Zeilen Text vergessen hatte und dennoch eine Zusage erhielt: Er wurde für die »ARTE«-Serie »14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs« engagiert. Das war eine große Sache für ihn, aufregend, die Dreharbeiten in Frankreich und Kanada, und sehr bewegend natürlich. Immerhin stellte er mit der Figur Ernst Jüngers einen Menschen dar, der das Elend dieses Krieges in all seinem Ausmaß erlebt hatte. Besonders beeindruckend war für den jungen Mann der Moment, als er erkannte, dass die Pistole, mit der man ihn ausgestattet hatte, wirklich aus dem Jahre 1918 stammte, und es nicht ausgeschlossen war, dass sie während des Kriegs benutzt worden war. Dies hatte ihn innehalten, ihm seine Verantwortung gewahr werden lassen, die diese Rolle mit sich brachte.
Nach der Ausstrahlung der Serie 2014 erreichten seine Agentur Anfragen, berichtet er stolz, aber nicht alles könne man annehmen, zum Beispiel einen Part in der einen oder anderen Seifenoper, zu schnell lande man in einer Schublade. Er würde gerne noch mehr Filme drehen, das Theater jedoch möchte er nicht missen, den direkten Kontakt zum Publikum, die Herausforderung neuer Rollen und das gute Gefühl, auf der Bühne zu stehen. Hier in Dresden lässt es sich gut leben, und eigentlich will er gar nicht weg, auch wenn er von einer großen Karriere träumt, und an diesem Punkt kommen wir zu dem angekündigten Zitat: »Denn Dresden«, sagt Jonas und hält kurz inne, »Dresden ist wie eine dicke Oma – etwas langsam und bequem, aber sie hat immer auch etwas Süßes für einen parat.« Da mag man als Urdresdner zuerst nach Luft schnappen, lässt man jedoch den Satz Revue passieren, freundet man sich mit ihm nicht nur an, sondern stellt fest, dass es ganz genau so ist.
Staatsschauspiel Dresden
Theaterstraße 2
01067 Dresden
www.staatsschauspiel-dresden.de
»Die rechte Fontäne höher, die linke dafür niedriger.« Jana Kursave gibt genaue Anweisungen, wie das Wasserspiel auszurichten ist. Über Handy steht sie mit einem Techniker in Verbindung, der in einem schmalen Kriechgang die richtigen Einstellungen für den Brunnen im Nymphenbad des Dresdner Zwingers vornimmt. Die Anlage, die mit ihren Fabelwesen, antiken Figuren und einem Wasserfall eher einer Grotte ähnelt, befindet sich an der Ecke zwischen Sempergalerie und Wallpavillon und ist allein über zwei Treppen zu erreichen. Jedes Jahr im Frühjahr müssen sämtliche Fontänen von Hand neu reguliert werden. »Für mich ist es ein toller Moment, wenn die Brunnen nach der Winterpause angeschaltet werden«, erzählt Kursave. Seit 2008 ist sie Mitarbeiterin bei der gemeinnützigen GmbH »Staatliche Schlösser und Gärten Dresden«, die neben dem Zwinger auch für die Verwaltungund Betreuung der Festung Dresden, der Brühlschen Terrasse und des Stallhofs zuständig ist.
Nach 17 Jahren im Sächsischen Finanzministerium wollte sich Jana Kursave beruflich verändern. Da kam die Stellenausschreibung der »Schlösser und Gärten Dresden« gerade recht. Kurzerhand bewarb sie sich und erhielt den Zuschlag. Zu Beginn ihrer Tätigkeit kümmerte sie sich hauptsächlich um die Koordination und Betreuung von Veranstaltungen, für die mit Vorliebe die historischen Stätten gewählt werden, wie Empfänge, Dinner-Abende, Weihnachtsfeiern sowie runde Geburtstage, Sektempfänge und Trauungen. Feierte bereits August der Starke mit Freude rauschende Feste vor repräsentativer Kulisse, lebt diese Tradition bis heute fort. An ein Ereignis erinnert sich Kursave besonders. 2011 inszenierte Regisseur Dieter Wedel die »Zwingerfestspiele«, bei denen vom 5. bis zum 21. August jeden Abend das Stück »Die Mätresse des Königs« aufgeführt wurde, ein kunterbuntes Open-Air-Spektakel um Liebe und Intrigen am Hof des sächsischen Kurfürsten. Auf der Bühne standen Hochkaräter wie Schauspieler Helmut Zierl und TV-Komiker Dirk Bach als Hofnarr Fröhlich. Kursave saß unter den Zuschauern, als mitten im Programm ein Fenster des Wallpavillons aufgerissen wurde und der kleine, quirlige Bach sich plötzlich außen am Rahmen entlanghangelte, während er seinen Text einfach weitersprach. »Das war nicht geplant. Der Raum, aus dem er herausgeklettert war, gehörte zum Backstage-Bereich und war als Garderobe für die Darsteller gedacht. Alle guckten mit offenen Mündern nach oben.«
Mittlerweile gehört nicht allein die Organisation von Veranstaltungen zu Kursaves Aufgabenfeld, sondern zudem das Marketing für die »Staatlichen Schlösser und Gärten«. Sie gestaltet unter anderem Werbeflyer und ist Ansprechpartnerin für Straßenmusiker, die eine Genehmigung für einen Standplatz innerhalb der Sehenswürdigkeiten brauchen. Besonders schätzt sie die Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie den »Staatlichen Kunstsammlungen Dresden«, dem »Dresdner Verein Brühlsche Terrasse e. V.«, der Zwingerbauhütte, die sich um die Restaurierung und Instandhaltung des Baudenkmals kümmert, oder der »Agentur Sündenfrei«, die jedes Jahr den bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebten mittelalterlichen Weihnachtsmarkt im Stallhof veranstaltet. Doch auch Besucherbeschwerden landen auf ihrem Tisch; wenn kaputte Bäume oder Rabatten entdeckt worden sind, muss Jana Kursave die Gärtner mobilisieren. »Wir sind auf Hinweise der Gäste angewiesen. Die Dresdner sind sowieso überdurchschnittlich stark an ihrer Heimat interessiert und verfolgen alles besonders aufmerksam«, berichtet sie. Eines Tages rief ein entsetzter Bürger bei ihr an, der wegen der fehlenden Putten, der Kinderskulpturen mit den Engelsflügeln, am Mathematisch-Physikalischen Salon besorgt war. Er befürchtete, dass sie dauerhaft entfernt wurden und vielleicht Diebe am Werk seien. Tatsächlich handelte es sich lediglich um eine vorübergehende Maßnahme im Zuge von Bauarbeiten. »In solchen Situationen muss ich die Leute beruhigen, dass alles in Ordnung ist«, sagt Kursave schmunzelnd.
Jana Kursave im Zwinger, einem ihrer historischen Arbeitsplätze
Niemals würde die Dresdnerin in ihre einstige Verwaltungstätigkeit zurückkehren. Im Gegensatz zu früher sitzt sie heute keineswegs die ganze Zeit an ihrem Schreibtisch. Regelmäßig ist sie vor Ort und bei Problemen sofort zur Stelle. Die zierliche Frau erledigt ihre Aufgaben mit großer Leidenschaft. Wenn sie über ihren Beruf spricht, gerät sie ins Schwärmen. »Ich habe den schönsten Arbeitsweg, den man sich vorstellen kann, vor allem morgens im Sommer, wenn die Vögel zwitschern und der Zwinger noch menschenleer ist. Wer kann jeden Tag mitten durch die historische Altstadt spazieren?« Doch nicht ausschließlich während der regulären Dienstzeiten, sondern auch in ihrer Freizeit ist Kursave für die Elbmetropole im Einsatz. »Ich wollte unbedingt bei der Bepflanzung auf der Brühlschen Terrasse helfen. In Latzhosen stand ich im Beet«, erzählt sie lachend und schickt ein Kompliment an ihre Mitarbeiter hinterher: »Bei solchen Aktionen wird mir bewusst, was sie alles leisten.« Ohne ein eingespieltes Team geht nichts – und sei es einfach, um jedes Jahr die Fontänen der Springbrunnen einzustellen.
Dresdner Zwinger
Sophienstraße
01067 Dresden
www.der-dresdner-zwinger.de
»Wenn Sie das nicht schaffen, wird das hier ein Supermarkt.« Dr. Lutz Vogel, von 2006 bis 2008 Oberbürgermeister Dresdens, klang alles andere als optimistisch. Wen Dieter Jaenicke vor seinem Amtsantritt als künstlerischer Leiter des Europäischen Zentrums der Künste Dresden auch fragte, die meisten Leute machten ihm wenig Mut, das geschichtsträchtige Festspielhaus Hellerau mit neuem Leben füllen zu können. Zu elitär sei das Projekt für die sächsische Landeshauptstadt, viel zu weit weg vom Zentrum.
Draußen im Norden der Elbmetropole, im Viertel Hellerau, wurde 1908 die erste Gartenstadt Deutschlands errichtet. Die Idee stammte aus England. Im Umland urbaner Ballungszentren wurden Siedlungen gegründet, die sich durch umfangreiche Grünflächen auszeichneten. Sie sollten ihren Bewohnern zugleich Wohnraum und Arbeitsplätze sowie Kultur und Bildung außerhalb der zunehmend schlechten Lebensverhältnisse in den Großstädten bieten. Um diesen Leitgedanken umzusetzen, wurde 1911 in der neuen Kolonie am Rande Dresdens das Festspielhaus Hellerau gebaut, das sich zum Treffpunkt der damaligen künstlerischen Avantgarde Europas entwickelte. Der Schweizer Musikpädagoge Émile Jaques-Dalcroze gründete in diesem Gebäude seine Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus, unter deren Gästen sich Maler wie Emil Nolde und Oskar Kokoschka oder die Schriftsteller Franz Kafka und Stefan Zweig befanden. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, verließ Jaques-Dalcroze Deutschland und die Bildungsanstalt wurde 1915 geschlossen. Ab 1939 war eine Polizeischule in den Räumlichkeiten untergebracht, nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die Russen sie als Kaserne. Nach dem Weggang der Roten Armee war das gesamte Gelände dem Verfall preisgegeben. Erst 1994 begannen die Restaurierungsarbeiten, zehn Jahre später wurde das Haus mit dem Umzug des Dresdner Zentrums für zeitgenössische Musik in das Europäische Zentrum der Künste umgewandelt. Ab 2003 fanden bereits auf dem Vorplatz und in den Nebengebäuden Aufführungen statt. Das Tanztheater »Derevo« sowie die »Forsythe Company«, das Ballettensemble des Choreografen William Forsythe, traten schon zu diesem Zeitpunkt in Hellerau auf. Letzteres bezog 2004 ein festes Domizil im Festspielhaus und hat sich mittlerweile zu einer echten Größe in der Dresdner Kulturlandschaft etabliert. 2006 konnte endlich die offizielle Wiedereröffnung des Gebäudes gefeiert werden.
Der Ostflügel des Festspielgeländes
Seit 2009 ist Dieter Jaenicke der künstlerische Leiter. Geboren in Rostock und aufgewachsen in Würzburg, lebte der Kulturmanager unter anderem 15 Jahre in Hamburg. Später wohnte und arbeitete er in den USA, in Spanien, Dänemark, Brasilien, Bolivien sowie Venezuela und half in einem Flüchtlingslager auf den Philippinen. »Ich habe mich stets international mit Kultur befasst«, erklärt er. 2007 zog es Jaenicke zurück nach Deutschland. Nachdem er eine Stellenanzeige für Hellerau gelesen hatte, bewarb er sich umgehend. Zu DDR-Zeiten war er bereits in der Siedlung gewesen. »Ich hatte die Gebäude damals sogar fotografiert, musste jedoch die Bilder den Russen überlassen«, erinnert er sich. Anfang des neuen Jahrtausends besuchte er das Viertel erneut. »Da habe ich mich in das Haus verliebt. Ich bin jemand, der mit Freude Dinge entwickelt.« Nachdem Jaenicke die Führung der Einrichtung übernahm, strafte er alle anfänglichen Skeptiker Lügen. Das Festspielhaus entfaltete sich neben Aufführungen zur Neuen Musik, Performances, Theater, Bildender Kunst und Veranstaltungen mit Neuen Medien zum wichtigsten Zentrum für zeitgenössischen Tanz in Ostdeutschland. Zuschauer, die modernen Tanz erleben wollen, kommen regelmäßig. Alleine 2012 waren es insgesamt 42.000 Gäste aus dem In- und Ausland. Dass er mit diesem umfangreichen Angebot auf dem richtigen Weg ist, davon ist Jaenicke überzeugt. »Wir verfügen über das ideale Haus für die Darstellenden Künste des 21. Jahrhunderts, mit einem Prototyp der Theaterbühnen des 20. Jahrhunderts.« Wichtig ist ihm, dass genügend Raum für Ungewöhnliches bleibt – vor allem an einem Ort wie Dresden, der sich überdurchschnittlich stark über seine historische und kulturelle Vergangenheit definiert. »Wir wollen Untergründiges zulassen und Platz für Exzentriker bieten«, bekräftigt der künstlerische Leiter.
Wie das aussehen kann, erlebten die Dresdner eindrucksvoll beim »Street Culture Festival«, das sich im Sommer 2013 im Festspielhaus und in der ganzen Stadt der urbanen Kunst widmete. 90 nationale und internationale Anhänger der Graffiti-Szene waren eingeladen worden, um ihre Werke zu präsentieren. »Wir hatten dafür offizielle Wände bereitgestellt«, erklärt Jaenicke. Doch die Kreativität brach sich Bahn. Die Gäste enterten auf eigene Faust eine Ruine auf dem Gelände, die wegen ihres schlechten baulichen Zustands gesperrt war, und ließen dort ihren Ideen freien Lauf. Zwischen zugigen Wänden, morschen Dielen und losen Dachziegeln entstand Street Art, die authentischer nicht sein könnte. Jaenicke ließ ihnen freie Hand. Die Avantgarde ist zurück, Hellerau ist wieder in Bewegung. Denn Supermärkte gibt es wahrlich mehr als genug.
Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste Dresden
Karl-Liebknecht-Straße 56
01109 Dresden
www.hellerau.org
Gunther Emmerlich hat viel zu erzählen aus seinem Leben als Opern-, Musical- und Jazzsänger, als Entertainer und Moderator, so viel, dass er bereits zwei Bücher mit seinen Geschichten gefüllt hat, eines davon mit dem herrlichen Titel »Ich wollte mich mal ausreden lassen«. In seinem Stammlokal Luisenhof in der Bergbahnstraße, benannt nach der sächsischen Kronprinzessin Luise von Österreich-Toskana, berichtet er uns von seinem wechselvollen Leben.
Im thüringischen Eisenberg geboren, machte Emmerlich zunächst in Jena sein Abitur und einen Abschluss als Betonbauer. Danach besuchte er in Erfurt die Ingenieurschule für Bauwesen, ehe es ihn vollends zur Musik hinzog. In Weimar studierte er Operngesang an der Franz Liszt Hochschule und wurde schließlich 1972 Mitglied des Ensembles der Dresdner Oper, wo er zwanzig Jahre lang erfolgreich agierte. Unter anderem brillierte er als Osmin in »Die Entführung aus dem Serail«, einer seiner zahlreichen Paraderollen. An den verschiedensten Opernhäusern trat er unter anderem als Sir John Falstaff in »Die lustigen Weiber von Windsor« oder als Sarastro in »Die Zauberflöte« auf. Eine seiner Musicalglanzpartien war der Tevje in »Anatevka«, rund 700 Mal stand er als der jüdische Milchmann auf der Bühne. Noch heute spielt er mit seiner »Semper House Band«, einer Formation aus Solisten der Sächsischen Staatskapelle, Swing- und Dixieland-Stücke vor begeistertem Publikum. Mit weiteren Kollegen der Staatskapelle gibt er zudem Kirchenmusikkonzerte. Sein Pianist Klaus Bender begleitet den vielseitigen Sänger und seine langjährige Duettpartnerin Deborah Sasson bei Liederabenden und Programmen, und auch mit der Sopranistin Eva Lind mitsamt Ensemble geht Emmerlich regelmäßig auf Tour. Auf diese Weise kommen mehrere zehntausend Kilometer zusammen, die der Musiker jedes Jahr von Auftritt zu Auftritt fährt.
Der Luisenhof in der Bergbahnstraße wird auch als »Balkon Dresdens« bezeichnet